John Stemberger wähnt sich am Ziel einer jahrelangen Mission. "Ich bin begeistert", feiert der Präsident der konservativen Organisation "Liberty Counsel Action" das Urteil des Obersten Gerichts von Florida, das eines der schärfsten Abtreibungsgesetze der USA unverändert in Kraft treten lässt. Schwangerschaftsabbrüche dürfen damit nur in den ersten sechs Wochen vorgenommen werden, mit Ausnahmen bei Vergewaltigung, Inzest und Gefahr für das Leben der Mutter.
Dass die konservative Mehrheit des Gerichts in dem Gesetz keine unzulässige Verletzung von Frauenrechten sieht, feiert Stemberger als Bestätigung seines Einsatzes. "Wir hatten immer schon recht", erklärt der Pate der strengen Fristenlösung von Florida und fügt hinzu: "Das ist ein riesiger Sieg."
Im Schatten der Präsidentschaftswahl
Ihn verdanken die Abtreibungsgegner dem republikanischen Gouverneur Ron DeSantis, der die von 15 auf sechs Wochen reduzierte Fristenlösung im vergangenen Jahr in Kraft gesetzt hatte. Das Gesetz werteten Beobachter als Teil des Versuchs, Donald Trump als Kandidat bei den Vorwahlen der Republikaner rechts zu überholen. Eine Rechnung, die für den Gouverneur nicht aufging.
Bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen im November droht das Thema nun wie ein Bumerang zurückzukommen. Denn der Supreme Court in Tallahassee erlaubte in einer Parallelentscheidung vom Montag, dass die Bürger über die Aufnahme eines Anspruchs auf Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen in Floridas Verfassung abstimmen dürfen.
Es gibt noch überwindbare Hürden
Bisher haben sich die Befürworter einer weitgehenden Entscheidungsfreiheit von Frauen in allen Bundesstaaten durchgesetzt, die Referenden zum Thema Abtreibung abgehalten hatten. In Florida müssten 60 Prozent für die Aufnahme in die Verfassung stimmen. Eine hohe, nach Ansicht von Analysten aber überwindbare Hürde.
Darauf deutet das Tempo hin, in dem die Koalition "Floridians Protecting Freedom" mehr als 1,5 Millionen Unterschriften für das Referendum gesammelt hatte. In weniger als neun Monaten übertrafen sie die notwendige Zahl um mehr als 600.000 Stimmen. Die Justizministerin des Bundesstaates, Ashley Moody, versuchte den Wortlaut der Volksbefragung zu verändern und scheiterte damit vor dem Supreme Court.
Frauen werden sich mobilisieren
Damit werden die Wählerinnen und Wähler im November nun gefragt, ob sie per Ergänzung der Verfassung Gesetze wie die gerade in Kraft getretene Sechswochenfrist verbieten und den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen garantieren wollen. Chelsea Daniels von "Planned Parenthood" glaubt, dass die politischen Konsequenzen jetzt noch mehr in das Bewusstsein der Frauen einsickern und sie mobilisieren werden. Keinen Zugang mehr zu legalen Abbrüchen zu haben, sei "eine Realität, auf die die meisten Menschen nicht vorbereitet sind".
Mit rund 80.000 Abtreibungen im Jahr war Florida ein Magnet für Frauen, die in anderen Südstaaten keinen oder sehr eingeschränkten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen hatten. Künftig müssen Einwohnerinnen von Florida jetzt Autofahrten von mindestens zwölf Stunden in Kauf nehmen, um die nächste Abtreibungsklinik in Charlotte im US-Bundesstaat North Carolina zu erreichen. Als Alternative kommen per Post versandte Medikamente zur Einleitung eines Abbruchs infrage.
Gesundheit Millionen Frauen riskiert
"Abtreibung ist für Republikaner, was Einwanderung für die Demokraten ist", räumt Carlos Curbelo ein, der als Republikaner einen Wahlkreis in Miami im US-Kongress vertrat. "Es ist ein Problem." Dadurch erhielten die Demokraten in einem zuletzt verlässlich republikanischen Staat "einen Weg, wieder relevant zu werden".
Joe Bidens Wahlkampfteam glaubt, dass Florida nun wieder im Mix der Wechselwähler-Staaten zu verorten ist, und macht Trump direkt für den Bann verantwortlich. Der Präsident selbst nannte die Entscheidung des Supreme Court "empörend" und "extrem". Dadurch hätten Frauen im Süden der USA praktisch den Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen verloren.
Die Republikaner "riskieren die Gesundheit und das Leben von Millionen Frauen", sagte Biden. "Die Wähler haben die Gelegenheit, ihren Stimmen im November Gehör zu verschaffen."