Adveniat engagiert sich für faire Arbeitsbedingungen

Raus aus der Schuldknechtschaft

Adveniat stellt in diesem Jahr ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in den Mittelpunkt seiner Weihnachtsaktion. Das Hilfswerk fördert in Lateinamerika Projekte, die fair bezahlte Jobs und ein Leben in Würde ermöglichen sollen.

Autor/in:
Ina Rottscheidt
Geerntete Kaffeebohnen in der Kooperative / © Jürgen Escher (Adveniat)
Geerntete Kaffeebohnen in der Kooperative / © Jürgen Escher ( Adveniat )

José Aquino steht vor einer Röstmaschine, mit einem langen Löffel fischt er einige Kaffeebohnen heraus, betrachtet sie zufrieden, riecht daran. Dann dreht er den Temperaturregler herunter. Nur vier bis acht Minuten wirbeln die kleinen Bohnen in dem Apparat, bis sie ihre Farbe von beige zum typischen kaffeebraun wechseln. Der drahtige Mann mit der Brille und dem weißen Kittel experimentiert mit Geschmacksrichtungen in einem Labor für die Kaffee-Kooperative "Ts´umbal Xitalha’", die ihren Sitz Chilón, einem kleinen Ort im Süden Mexikos hat.

"Kaffee-Bauern sind normalerweise abhängig vom Weltmarktpreis und der schwankt extrem", erklärt Aquino. Von denen Gewinnen, die mit Kaffee erzielt werden, bekommen sie nur einen Bruchteil ab. "Bei uns ist das anders", sagt er, "wir zahlen bis zu 50 Pesos pro Kilo Kaffee, je nach Qualität." Bei normalen Händlern seien es nur 29 Pesos. "Viele Bauern werden ausgebeutet, oftmals reicht das Geld nicht zum Leben, dann leihen sie sich welches bei den Händlern und verpfänden dafür ihre nächste Ernte. So beginnt ein Kreislauf, aus dem sie nicht mehr herauskommen."

Vergessene Region

Chiapas ist einer der ärmsten Bundesstaaten Mexikos. Eine von der Politik vergessene Region, wo sich an den Bedingungen seit der Kolonialzeit bis heute faktisch wenig geändert hat. Die Mehrheit der Bevölkerung sind indigene Kleinbauern, die von dem leben, was sie auf ihrem Feld anbauen. "Das Land war lange Zeit in der Hand von Finka-Besitzern, wo die Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiteten", erzählt der Jesuit Arturo Estrada, "noch bis in die 1990er Jahre besaßen zehn Prozent der Bevölkerung 90 Prozent des Landes!"

Nach dem Aufstand der Zapatisten im Jahr 1994 wurde den indigenen Gemeinden mehr Land zugesprochen, doch ihre Lebensbedingungen verbesserte das trotzdem nicht. "1999 fing ich an, mein Feld zu bestellen", erinnert sich der Kleinbauer Jerónimo Guzmán, "damals bekam man für ein Kilo Kaffee 25 Pesos. Als nach drei Jahren die Pflanzen erste Früchte trugen, bekam man plötzlich nur noch 5 Pesos." Für ihn und tausende Kleinbauern eine Katastrophe. Dabei sind die Kaffeepreise an der New Yorker Börse nicht selten das Ergebnis von Spekulationen.

Gewinne nicht anderen überlassen

Daraufhin schlossen sich im Jahr 2001 22 Kleinbauern in der Region zusammen und gründeten die Kaffee-Kooperative "Ts´umbal Xitalha". Hilfe bekamen sie dabei von der Jesuitenmission in Bachajón, die sich dort bereits seit über 60 Jahren für die arme Landbevölkerung engagiert: Durch Weiterbildung, Förderung von Laien und die Evangelisierung. Unterstützt werden sie dabei auch vom katholischen  Lateinamerikahilfswerk Adveniat.

Die Idee hinter dem Projekt: Den Menschen ein Leben in Würde ermöglichen. Denn nach wie vor werden die Gewinne beim Kaffee von Großgrundbesitzern, Zwischenhändlern, Röstern und Verkäufern abgeschöpft. Das liegt auch am Fehlen einer eigenen Industrie. Kaffee wird fast nur in seiner Rohform exportiert, Veredelung und Röstung bleiben meist Sache der Industriestaaten. "Wir wollten es erreichen, die komplette Handelskette von der Bohne bis zur Tasse Kaffee zu kontrollieren. Nur so können wir an den Gewinnen teilhaben und aus dieser Abhängigkeit heraus kommen und den Bauern einen stabilen Preis zahlen", erklärt Arturo Estrada, der die Jesuitenmission seit 2016 leitet.

Große Nachfrage

Deswegen hat die Kooperative mittlerweile bereits vier eigene Cafeterien in ganz Mexiko. Der Kaffee, der dort ausgeschenkt wird, trägt den klangvollen Namen "Capeltic" – in der Indianersprache Tseltal bedeutet das "Unser Kaffee". Rund 70 Tonnen produziert die Kooperative, das meiste wird in die USA, Japan und Spanien exportiert. Und es könnte noch mehr sein, die Nachfrage ist groß. Doch Wachstum sei nicht das voranginge Ziel, erklärt Arturo Estrada. Es gehe vielmehr um Wohlfahrt für alle und um das indigene Prinzip des "Guten Lebens", um den Einklang mit der Schöpfung. Deswegen verwenden die Bauern auch weder künstlichen Dünger noch Pestizide oder Herbizide.

Zu den Prinzipien der Kooperative gehört auch, dass die Gewinne reinvestiert werden: In Ausbildung, Infrastruktur oder das Gesundheitssystem beispielsweise. 269 Bauernfamilien gehören ihr mittlerweile an, für sie hat sich ihr Leben von Grund auf verändert: Das  Einkommen liegt rund 20 Prozent über dem, was herkömmliche Kaffeebauern verdienen. Und: Ihr Leben sei planbar geworden, sagt der Jesuit Arturo Estrada: "Wenn sie wissen, wie viel sie verdienen werden, können längerfristige Pläne machen. Früher konnte es passieren, dass sie trotz guter Ernte nur 10 Peso pro Kilo verdienten. Jetzt sind sie unabhängig. Das ist eine ganz konkrete Folge unserer Kooperative: Sie können ihr Leben besser planen.

 

José Aquino leitet die Verarbeitung des Kaffees in der Kooperative Capeltic der Jesuitenmission von Bachajón / © Jürgen Escher (Adveniat)
José Aquino leitet die Verarbeitung des Kaffees in der Kooperative Capeltic der Jesuitenmission von Bachajón / © Jürgen Escher ( Adveniat )

 

Padre Arturo Estrada / © Jürgen Escher (Adveniat)
Padre Arturo Estrada / © Jürgen Escher ( Adveniat )

 

Andrés Rodriguez mit seinem Vater Andrés Rodriguez Gomez beim Kaffee pflücken / © Jürgen Escher (Adveniat)
Andrés Rodriguez mit seinem Vater Andrés Rodriguez Gomez beim Kaffee pflücken / © Jürgen Escher ( Adveniat )
Quelle:
DR