domradio.de: Vier Jahre lang haben sich die Friedensverhandlungen hingezogen, im Oktober wurde der erste Friedensvertrag bei einer Volksabstimmung abgelehnt. Was empfinden Sie heute?
Prälat Bernd Klaschka (Hauptgeschäftsführer Adveniat): Ich empfinde heute Freude, Hoffnung und Zuversicht. Und gleichzeitig das Gefühl, den Herausforderungen, die jetzt auf die Menschen in Kolumbien zukommen, gerecht werden zu können, denn es ist eine gute Basis erreicht, um Frieden in Kolumbien zu schaffen. Frieden ist jetzt möglich. Auf der anderen Seite empfinde ich auch Dankbarkeit gegenüber dem langen Atem, den die beiden Verhandlungspartner in Havanna gehabt haben, und auch gegenüber der Kirche in Lateinamerika, die sich immer wieder in die Verhandlungen eingeschaltet und gesagt hat: Frieden und Versöhnung muss für unsere Menschen in Kolumbien erreicht werden.
domradio.de: Es gab einige Korrekturen im neu ausgehandelten Friedensvertrag. Zum Beispiel rund um die Strafverbüßung der verurteilten Rebellen. Wird diese Vereinbarung den Opfern gerecht?
Klaschka: Ich glaube, dass diese Vereinbarung den Opfern gerecht wird. Zum Beispiel müssen die Farc-Rebellen ihre Vermögenswerte offen legen und diese für die Entschädigung der Opfer einsetzen. Das ist ein wichtiger Schritt. Es wird auch dem Gerechtigkeitsgefühl Rechnung getragen, dass die Farc-Rebellen zu Freiheitsstrafen verurteilt werden können und sollen. Allerdings werden sie ihre Strafen nicht in den Gefängnissen verbüßen, weil diese völlig überfüllt sind, sondern in einem anderen Rahmen, zum Beispiel in ländlichen Bereichen.
domradio.de: Nicht nur die Farc-Rebellen, auch der kolumbianische Staat sollen finanziell in die Pflicht genommen werden. Glauben Sie, dass das so geschehen wird?
Klaschka: Ich glaube, dass die Grundlagen dafür gelegt worden sind, weil die Finanzierung des Abkommens Teil des Staatshaushaltes wird. Das ist ganz wichtig. Der Staat macht sich dafür stark, dass das Friedensabkommen umgesetzt wird, und nicht gesellschaftliche Gruppen. Das wird den Kolumbianern auch finanziell große Anstrengungen abverlangen. Und damit kann der Staat auch handlungsfähig sein, zum Beispiel in Bezug auf die Steuerpolitik und die Finanzierung. Ob das auch alles hundertprozentig so umgesetzt wird, wie es verhandelt worden ist, das muss die Zukunft zeigen und muss sich in der Praxis erweisen.
domradio.de: Auch der Umgang mit der Agrarindustrie und den Großgrundbesitzer wurde korrigiert – zum Guten?
Klaschka: Ich glaube diese Veränderungen und Korrekturen, die die Agrarindustrie und die Großgrundbesitzer stärker berücksichtigt, wird noch mal auch gerade im ländlichen Raum zu sozialer Ungleichheit führen. Und da muss es auch Prozesse geben und Initiativen entwickelt werden, um die soziale Gleichheit zu erreichen. Aber das ist auch ein langer Weg. Man braucht auch weiterhin einen langen Atem in Kolumbien.
domradio.de: Was muss passieren auf diesem langen Weg, damit das kolumbianische Volk wieder zu einem friedlichen Miteinander findet?
Klaschka: Ich glaube die Grundvoraussetzung dieses Friedensvertrags ist erreicht: Die Waffen schweigen. Dadurch kann Dialog passieren, denn Waffen verunmöglichen diesen Dialog. Durch Dialog kann Vertrauen wachsen und Verständnis füreinander. Und dann können sich bisher verfeindete Gruppierungen in den Dörfern an einen Tisch setzen, um miteinander einen Weg hin zu einer friedlichen Gesellschaft zu suchen, denn sie wissen: Der Weg zu den Waffen ist jetzt verschlossen.
Das Interview führte Heike Sicconi.