Äbtissin begrüßt Einstellung des Kirchenasyl-Verfahrens

"Uns geht es zutiefst um diese Menschen"

Mutter Mechthild hat sich erleichtert darüber gezeigt, dass das Kirchenasyl-Verfahren gegen sie eingestellt wurde. Sie will sich in Zukunft auch weiter für diejenigen einsetzen, die ihre Hilfe brauchen. Denn es gehe um Menschlichkeit.

 © Daniel Vogl (dpa)
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DOMRADIO.DE:. Das Verfahren wegen Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt gegen Sie ist eingestellt worden. Sind Sie zufrieden mit dem Urteil?

 © Nicolas Armer (dpa)
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Mutter Mechthild Thürmer (Äbtissin der Abtei Maria Frieden im oberfränkischen Kirchschletten): Ja, ich möchte sagen, dass es sehr gut ausgegangen ist. Ich habe mich darüber gefreut. Es hätte natürlich noch ein bisschen besser ausgehen können. Für den dritten Fall, der nicht freigesprochen worden ist, wo noch etwas ungeklärt war, wäre es einfach zu aufwendig gewesen, alle Zeugen noch einmal kommen zu lassen und vor allen Dingen die Person, um die es sich gehandelt hat, noch mal vor Gericht sprechen zu lassen. Ich finde sie gehört geschützt.

DOMRADIO.DE: Können Sie kurz schildern, wem Sie eigentlich seit wann Kirchenasyl gewährt haben? Also um was ging es genau?

Mutter Mechthild: 2014 ging es um einen jungen Mann aus dem Irak, der Erschütterndes erlebt hat. Er war im Irak selber auf der Flucht, da sein Bruder auch ums Leben gekommen ist, dann war er in Ungarn im Gefängnis in Dunkelhaft. Er hat sich ausziehen und die Hände auf den Boden schmeißen müssen, da wurde draufgetreten. Es gab eine Scheibe Schwarzbrot am Tag, ein Glas Wasser, er durfte einmal eine halbe Stunde spazieren gehen und das war's dann für zwei Wochen. Da muss man ja schon irrsinnig werden. Und als er in Deutschland war, ist ihm dann der Brief zugestellt worden, dass er wieder zurück muss in dieses Land, wo er die Fingerabdrücke abgegeben hat. Und da hat er natürlich Panik gekriegt, nach Ungarn wollte er nicht mehr.

Mutter Mechthild (Äbtissin der Abtei Maria Frieden im oberfränkischen Kirchschletten)

"Zweimal musste sie wieder zurück nach Libyen ins Lager und hat dort Folter erlebt, da hat sie den ganzen Oberkörper voll gehabt mit Messerstichen von Verletzungen, mit Narben."

DOMRADIO.DE: Und dann haben Sie gesagt, dass Sie ihm helfen?

Mutter Mechthild: Ja, das hat mich sehr bewegt. Ich musste mich natürlich dann zuerst informieren, was ich alles einzuhalten habe. Dass ich ihn nicht einfach so aufnehmen kann wie andere Gäste, das war mir klar. Und das hat ein paar Tage gedauert und die Mitschwestern musste ich auch fragen, aber die haben alle dazu 'Ja' gesagt. Das war ein sehr gutes Miteinander mit diesem jungen Mann.

Mutter Mechthild mit ihrem Verteidiger beim Prozess im Sitzungssaal des Amtsgerichts Bamberg. / © Daniel Vogl (dpa)
Mutter Mechthild mit ihrem Verteidiger beim Prozess im Sitzungssaal des Amtsgerichts Bamberg. / © Daniel Vogl ( dpa )

DOMRADIO.DE: Gestern (1.3.) haben Sie den Ausgang des Verfahrens mit einem fränkischen "Passt scho" kommentiert. Wie geht es Ihnen denn jetzt damit?

Mutter Mechthild: Mir geht es sehr gut. Die ersten beiden Fälle, wegen denen ich angeklagt worden bin, da haben sie dann leider nichts mehr sagen können und machen können. Das ist wie ein Freispruch. Nur beim dritten Fall, da ist mir vorgeworfen worden, ich hätte die Frau aufgenommen, nachdem sie schon die Ablehnung gekriegt hat nach dem zweiten Interview. Das wusste ich aber an dem Tag selber nicht. Und um das nachzuweisen, hätte noch einmal eine Verhandlung angesetzt und die einzelnen Zeugen dazu eingeladen werden müssen. Und so einen Aufwand für was? Es ging ja nicht um eine Strafe von ein paar tausend Euro, sondern es ging um diese Aussage 'Bin ich schuldig'. Das hätte ja dieser Frau auch nichts geholfen. Die hat immer noch nicht das Recht, hier in Deutschland zu bleiben, das ist sehr tragisch und traurig. Durch die Seenotrettung ist sie gerettet worden. Zweimal musste sie wieder zurück nach Libyen ins Lager und hat dort Folter erlebt, da hat sie den ganzen Oberkörper voll gehabt mit Messerstichen von Verletzungen, mit Narben. Und der das zuzumuten, da wieder zurückzugehen... Furchtbar.

DOMRADIO.DE: 2020 sollte ihnen ja schon mal ein Prozess gemacht werden, der dann aber abgesagt worden ist. Auch zwei andere Ordensleute waren im vergangenen Jahr in Bayern wegen Kirchenasyl angeklagt. Da hat das Bayerische Oberste Landesgericht letztlich gesagt, dass die bloße Beherbergung von Flüchtlingen, denen eine Abschiebung droht, nicht strafbar ist. Warum dann trotzdem immer wieder Verfahren und Prozesse zum Kirchenasyl? Soll das einschüchtern oder wie können Sie sich das erklären?

Mutter Mechthild: Ich kann mir das nur auch so vorstellen, dass es uns, die da helfen wollen, mürbe machen soll oder ängstigen. Aber uns geht es zutiefst um diese Menschen, um die Menschlichkeit. Und wenn man sich hineinversetzt, wie es denen daheim und unterwegs ergangen ist, dann versucht man natürlich, alle Register zu ziehen, um denen zu helfen.

Mutter Mechthild (Äbtissin der Abtei Maria Frieden im oberfränkischen Kirchschletten)

"Ich kann mir das nur auch so vorstellen, dass es uns, die helfen wollen, mürbe machen soll oder ängstigen"

DOMRADIO.DE: Wie geht es jetzt weiter für Sie?

Mutter Mechthild: Ich habe mich erst mal unendlich gefreut und ich habe sehr viele Zuschriften positiver Natur gekriegt, per Email, oder über Messenger, WhatsApp und Telefonanrufe. Das ermutigt natürlich, weiterzumachen. Je nachdem, was Menschen für Hilfestellungen brauchen. Wegen Kirchenasyl müssen natürlich meine Mitschwestern auch dazu 'Ja' sagen. Und denen sitzt der Schreck, weil mir da eine empfindliche Freiheitsstrafe angedroht worden ist, schon noch tief in den Gliedern. Sie lachen jetzt auch und freuen sich, dass es so ausgegangen ist. Aber wenn ich wieder frage 'Dürfte ich den oder die nehmen?', dann wird wahrscheinlich nicht ein ganz so überzeugendes 'Ja' kommen wie bei den anderen.

Das Interview führte Michelle Olion.

Kirchenasyl

Beim sogenannten Kirchenasyl nehmen Gemeinden oder Ordensgemeinschaften vorübergehend Asylbewerber auf, um eine Abschiebung abzuwenden, weil diese für den Flüchtling eine Bedrohung an Leib und Leben darstellt. Schon aus dem vierten Jahrhundert ist bekannt, dass Flüchtlinge in Kirchen Schutz suchten.

Ein Schlafsack und ein Rucksack liegen auf einer Kirchenbank. Im Hintergrund steht ein Zelt. / © Harald Oppitz (KNA)
Ein Schlafsack und ein Rucksack liegen auf einer Kirchenbank. Im Hintergrund steht ein Zelt. / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR