Ängste und Vorurteile: Aufklärungsarbeit am Welt-Aids-Tag

"Ganz normal darüber reden"

Allein im Jahr 2016 haben sich 1,8 Millionen Menschen infiziert: Im Kampf gegen die Verbreitung des HI-Virus hilft vor allem Aufklärung. Denn immer noch kursieren Fehlinformationen und Vorurteile – Betroffene werden diskriminiert.

Rote Schleife / © Arne Dedert (dpa)
Rote Schleife / © Arne Dedert ( dpa )

DOMRADIO.DE: In der heutigen Zeit mit Internet, YouTube und so weiter. Da sind die Jugendlichen doch bestimmt eh schon bestens über HIV und AIDS informiert, oder?

Sabine Henke (Fachstelle Prävention im Diakonischen Werk im Kirchenkreis Lennep): Das ist das große Thema, weshalb wir grundsätzlich und rund um den Welt-Aids-Tag noch mal ganz besonders auf dieses Thema durch verschiedenste Aktionen aufmerksam machen wollen. Wir wollen, dass das Thema nicht in Vergessenheit gerät und darauf aufmerksam machen, dass es immer noch sehr viele Neuinfektionen gibt. Obwohl man ja glauben müsste, alle wüssten Bescheid – so ist es eben nicht. Und deshalb ist es wichtig, dass wir in die Schulklassen gehen und da nochmal ein paar Infos geben. 

DOMRADIO.DE: Frau Henke, die Fachstelle Prävention im Diakonischen Werk im Kirchenkreis Lennep hilft bei der Aufklärung. Sie gehen direkt zu Schülerinnen und Schülern in die Klassen, um die wichtigsten Fragen zu beantworten und vor allem, um das Thema überhaupt mal auf die Agenda der Jugendlichen zu bringen. Wie läuft das denn genau ab? Sie bekommen von den Lehrern eine Stunde Zeit und erzählen den Jugendlichen alles, was sie wissen wollen?

Henke: So ungefähr. Die Schulen können sich bei uns melden. Rund um den Welt-Aids-Tag schreiben wir auch Schulen an. Die können sich dann bei uns melden und wir haben sozusagen verschiedene Pakete im Angebot, was man machen kann. Mal mit einem Film oder einem kleinen Parcours. Den Film nutzen wir zum Beispiel für Schulklassen, die das Thema noch gar nicht im Unterricht hatten und Basisinformationen brauchen: Wie kann ich mich schützen? Wie ist das mit der Kondomanwendung? Worauf muss ich achten, wenn ich ein Kondom kaufe? Aber auch: Wo kann ich mich überhaupt nicht infizieren? Welche Ängste brauche ich gar nicht zu haben? Und da geht es darum, die Solidarität mit den Menschen, die infiziert sind, zu fördern, dass man die nicht durch Unwissenheit ausgrenzt. 

DOMRADIO.DE: Welche Fragen hören Sie denn am häufigsten in den Schulklassen?

Henke: Das hat sich in den letzten Jahren eigentlich kaum geändert. Denn eine Frage kommt immer: Kann ich mich beim Küssen anstecken? Wo man immer denkt, eigentlich ist das doch in den Medien und die sind so aufgeklärt und man kann doch alles googeln, das dürfte doch eigentlich gar kein Thema mehr sein. Trotzdem sind das tatsächlich immer noch die Sachen, die gefraget werden: Wodurch kann man sich infizieren? Ist Speichel infektiös? Dann kommt immer: Ja, durch Küssen kann man sich infizieren. Da ist es für uns dann immer ganz wichtig zu sagen: Nein. Das ist definitiv etwas, worüber man sich nicht infizieren kann. Und wir zählen dann auf, was tatsächlich die risikoreichen Dinge sind.  

DOMRADIO.DE: Sie arbeiten schon seit Jahren als Diplom-Pädagogin in der Präventionsarbeit. Was hat sich denn gerade pädagogisch dort verändert? 

Henke: Es sind sicherlich neue Methoden dazugekommen. Die neuen Medien ergänzen unser Angebot. Was uns allerdings eigentlich das wichtigste ist, ist tatsächlich das Gespräch. Mit Jugendlichen zusammen zu sitzen und darüber zu sprechen, sie zu ermutigen, sich darüber auszutauschen und zu zeigen: Sexualität ist ein Thema, über das man ganz normal reden kann und sollte. Denn nur, wenn man überhaupt ins Gespräch kommt, kann ich auch Fragen stellen und weiß, wie es meinem Gegenüber geht. Und dann traue ich mich auch in den entscheidenden Situationen zu sagen: "Ich würde doch lieber ein Kondom benutzen", anstatt aus Angst – "Das ist ein heikles Thema, da rede ich nicht gerne drüber" – darauf zu verzichten und ein Risiko einzugehen. Das heißt Gespräche und die Informationen, die man darüber weitergibt – auch auf spielerische Art und Weise – sind nach wie vor das Wichtigste.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

 

Quelle:
DR