Der Grund für eine tiefere Bewusstseinserfahrung beim Fasten sei, dass körperliche Bedürfnisse in den Hintergrund träten und die Wahrnehmung auf das Spirituelle gelenkt werde, sagte Yael Adler der "Jüdischen Allgemeinen" (Donnerstag). An diesem Freitag beginnt der wichtigste jüdische Feiertag Jom Kippur. Der Versöhnungstag wird als Fast- und Ruhetag begangen und dauert bis Samstagabend.
Beim Fasten könne sich in einer bestimmten Phase bei einigen Menschen ein Gefühl der Klarheit einstellen. Das sei eine Art natürliches "Energie-High" oder sogar Euphorie, erklärte die Ärztin und Autorin. "Dieser Zustand ist Teil der Überlebensmechanismen des Körpers, der versucht, die geistige Schärfe und das Wohlbefinden kurzfristig zu steigern, um die Chancen zu erhöhen, nun bitte endlich auf Lebensmittelsuche zu gehen."
"Ein veränderter Bewusstseinszustand"
Längeres Fasten setze auch Stresshormone frei. "Diese Hormone steigern das Energieniveau und die Wachsamkeit, was von manchen als euphorisches Gefühl beschrieben wird", so Adler. Das Glückshormon Serotonin und das Belohnungshormon Dopamin könnten vermehrt gebildet werden.
"Der Mangel an Nahrung und Wasser führt bei manchen Menschen zu einem veränderten Bewusstseinszustand, der tranceartig erlebt werden kann. Dieser Zustand gleicht einer Entkoppelung von der Umgebung, ausgelöst durch physische Erschöpfung bei ständigem Hungergefühl."
Adler betonte, dass Menschen mit Krankheiten wie Diabetes nicht fasten sollten. Das gelte auch für Schwangere, Stillende und Menschen mit Essstörungen. Wer faste, solle sich darauf vorbereiten und danach Nahrung erst wieder vorsichtig zu sich nehmen. Es sei ratsam, beispielsweise mit Suppen, Tee oder gekochtem Gemüse zu starten.