AfD möchte Juden und Muslimen das Schächten verbieten

Scheinheilige Forderung?

Es ist ein umstrittenes Thema und führt immer wieder zu Debatten: das Schächten, die rituelle Schlachtmethode in Judentum und Islam. Stein des Anstoßes ist, dass Tiere dabei nicht betäubt werden.

Autor/in:
Leticia Witte
Das Schächten von Schafen während des islamischen Opferfestes gilt als religiöses Gebot / © Martin Schutt (dpa)
Das Schächten von Schafen während des islamischen Opferfestes gilt als religiöses Gebot / © Martin Schutt ( dpa )

So können sie, kopfüber gehängt, schnell und vollständig ausbluten, und die Tiere werden rasch bewusstlos, wie es heißt. Denn der Verzehr von Blut ist Gläubigen beider Religionen nicht erlaubt. Mit einem scharfen Messer durchtrennt ein Fachmann mit einem einzigen Schnitt Halsschlagader und Luftröhre eines Tieres.

Jetzt hat die AfD einen Antrag zu Änderungen im deutschen Tierschutzgesetz gestellt. Dort heißt es in Paragraph 4a, dass ein warmblütiges Tier nur geschlachtet werden darf, "wenn es vor Beginn des Blutentzugs zum Zweck des Schlachtens betäubt worden ist". Davon sind jedoch Ausnahmen möglich.

Eine ist in Absatz 2, Nummer 2 festgehalten: Es bedarf keiner Betäubung, wenn "die zuständige Behörde eine Ausnahmegenehmigung für ein Schlachten ohne Betäubung (Schächten) erteilt hat; sie darf die
Ausnahmegenehmigung nur insoweit erteilen, als es erforderlich ist, den Bedürfnissen von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften im Geltungsbereich dieses Gesetzes zu entsprechen, denen zwingende
Vorschriften ihrer Religionsgemeinschaft das Schächten vorschreiben oder den Genuss von Fleisch nicht geschächteter Tiere untersagen".

Streichung nötig, um Tieren "keine größeren Schmerzen" zuzufügen

Die Streichung sei nötig, so argumentiert die AfD, um den Tieren durch das Schlachten ohne Betäubung "keine größeren Schmerzen oder Leiden zuzufügen". Die Fraktion beruft sich auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2020, das den EU-Mitgliedstaaten in der Frage der Schlachtmethode in Judentum und Islam eine Abwägung zwischen Tierschutz und Religionsfreiheit erlaubt. Der Antrag wird nun in den zuständigen Ausschüssen diskutiert. Ob und gegebenenfalls mit welchen Änderungen er von dort den Weg wieder ins Parlament nimmt, bestimmen die Fraktionen.

2002 erlaubte das Bundesverfassungsgericht rituelle Schlachtungen mit Blick auf die Religionsfreiheit unter Auflagen. So dürfen nur Sachkundige in zugelassenen Schlachtbetrieben schächten. Tierschützer
verweisen darauf, dass der Tierschutz als Staatsziel seit Juni 2002
ebenfalls Verfassungsrang besitzt.

Forderung sei "scheinheilig"

Einige Rabbiner nannten die AfD-Forderung "unsäglich". Der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) erklärte jüngst: "Unter dem Vorwand des Tierschutzes verfolgt die AfD ganz klar ihre antisemitische und islamophobe Agenda." Die Forderung sei außerdem "scheinheilig", da es nur ein "winziger Prozentsatz" an Tieren betreffe - "während gleichzeitig die industrielle Massentierhaltung und Fleischverarbeitung hierzulande offenbar kein Tierschutzproblem darstellt".

Ein Verbot des Schächtens wäre ein "Affront" und torpediere die Religionsfreiheit, betonten die Rabbiner. Die AfD solle lieber für eine freie Religionsausübung eintreten. "Religiöses Schlachten ist in der gesamten EU stark reguliert und wird durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Erkenntnisse gestützt, die zugunsten des Tierwohls sprechen."

"Fundamentaler Angriff" auf das jüdische Leben hierzulande

In eine ähnliche Kerbe schlug der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben, Felix Klein. Er sprach im Redaktionsnetzwerk Deutschland von einem "fundamentalen Angriff" auf das jüdische Leben hierzulande. "Das letzte Mal, dass Schächten in Deutschland verboten wurde, war durch die nationalsozialistische Gesetzgebung im April 1933." Und: Der AfD-Antrag diskriminiere auch Muslime.

Apropos: Es ist nicht das erste Mal, dass die AfD ein Auge auf das Schächten wirft. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof entschied 2020, dass die Landesregierung zu Recht der AfD-Fraktion die Nennung eines ausnahmsweise zum betäubungslosen Schlachten berechtigten Betriebs verweigert habe. Medienberichten zufolge durfte dieser Betrieb zum muslimischen Fastenmonat Ramadan 200 Schafe schächten.

Das Verbot, Blut zu verzehren, leiten Musliminnen und Muslime aus der fünften Sure des Korans ab, Jüdinnen und Juden aus Stellen in den Büchern Levitikus und Deuteronomium. Auch anderswo in Europa sorgt das Schächten für Debatten - und auch Verbote. So etwa in Belgien, was immer wieder die orthodox geprägte
Europäische Rabbinerkonferenz auf den Plan ruft, da sie die Religionsfreiheit in Gefahr sieht. Dagegen wurde erst im November 2022 in Rumänien eine Gesetzesinitiative vereinbart, nach der das Schächten bald gesetzlich erlaubt werden soll.

Schächten

Das Schächten ist eine in Islam und Judentum vorgeschriebene rituelle Schlachtmethode, die den Verzehr von unblutigem Fleisch ermöglicht. Dabei werden den Tieren die Halsschlagadern sowie die Luft- und Speiseröhre mit einem Schnitt durchtrennt. Auf eine Betäubung wird verzichtet, so dass das Tier wegen des noch aktiven Kreislaufs vollständig ausbluten kann. Der Genuss von Blut ist in beiden Religionen verboten. In Deutschland ist das Schächten mit Blick auf die Religionsfreiheit unter Auflagen erlaubt.

Beim Schächten geht es um das vollständige Ausbluten von Tieren (shutterstock)
Beim Schächten geht es um das vollständige Ausbluten von Tieren / ( shutterstock )
Quelle:
KNA