DOMRADIO.DE: Was muss man beachten, um sich im Internet sicher zu bewegen?
Thomas Salzmann (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien): Um sich im Internet sicher zu bewegen, muss man wach und bewusst sein. Man sollte die Gefahren kennen und sich so verhalten wie im normalen Leben auch. Man sollte ein Gefühl für Gefährdungen haben. Ein Gefühl für die eigene Verletzlichkeit, gepaart mit ein bisschen technischer Kenntnis.
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat vor allen Dingen die eigenverantwortliche und gemeinschaftsfähige Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen im Fokus. Damit für Kinder und Jugendliche ein gutes Aufwachsen mit Medien gewährleistet ist.
DOMRADIO.DE: Sie haben von der Bundesprüfstelle einen Gefährdungsatlas entwickelt zum Thema "Digitales Aufwachsen" (Download). Was hat es damit auf sich?
Salzmann: Der Gefährdungsatlas soll dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche sicherer durch die Internetwelt kommen. Die Digitalisierung hat dazu geführt, dass die Lebensbereiche, in denen Kinder und Jugendliche unterwegs sind, heute vollkommen mediatisiert sind. Sie kommunizieren, sie gestalten, sie spielen, sie generieren Wissen und Informationen, sie konsumieren und sie rezipieren auch ganz normale Inhalte, so wie sie es immer schon getan haben.
Kinder und Jugendliche sind allzeit vernetzt und mobil mit ihren Handys unterwegs. Sie sind in ständiger Interaktion – auch mit Menschen, die sie nicht kennen. Und da liegen natürlich neben den Chancen auch Gefahren. Wir sind der Überzeugung, dass ein gutes Aufwachsen mit Medien nur gelingt, wenn sowohl Schutz, Befähigung und Teilhabe gemeinsam gedacht werden.
DOMRADIO.DE: Kinder haben also definitiv ein Recht auf ein digitales Aufwachsen?
Salzmann: Ja, definitiv. Weil das Internet und die digitale Welt letztlich alle Lebensbereiche durchziehen und Kinder daran teilhaben wollen. Es gehört einfach zum Alltag. Wir haben nun 35 Medienphänomene betrachtet, aus den Gefährdungen für Kinder und Jugendliche entstehen können. Das sind z.B. Cybermobbing, Cyberstalking, Extremistische Inhalte, gesundheitsgefährdende Challenges, Hate Speech, Internetsucht und exzessive Nutzung, Pornografie und Posendarstellungen und selbstverletzendes Verhalten. Wir haben aber auch Entwicklungschancen mitberücksichtigt.
DOMRADIO.DE: Für viele Eltern sind diese Internetphänomene fremd. Was raten Sie denen? Muss man sich da wirklich komplett mit dem Internet beschäftigen?
Salzmann: Ja, das ist aber doch der ganz normale Anspruch an Eltern, ihre Kinder zu erziehen. Und dazu gehört, sich für die Kinder und für die Lebensbereiche, in denen sie unterwegs sind, zu interessieren, die Gefährdungen und Risiken kennen zu lernen und zu wissen, wie der Lebensraum, in dem sie da unterwegs sind, funktioniert.
DOMRADIO.DE: Wo müssen Eltern ganz besonders aufpassen?
Salzmann: Da sind verschiedene Lebensbereiche sehr unterschiedlich betroffen. Die Währung des Internets sind Daten. Um im Internet teilzunehmen, stellen wir Daten zur Verfügung. Das führt dazu, dass Algorithmen diese verwerten. Diese algorithmischen Empfehlungssysteme können für viele Menschen eine Hilfestellung sein, z.B. wenn sie etwas kaufen möchten. Diese Systeme können aber auch manipuliert werden. Man muss Kindern und Jugendlichen frühzeitig erklären, wie diese Mechanismen funktionieren.
DOMRADIO.DE: Haben Sie noch ein paar Beispiele?
Salzmann: Wir haben die Gefährdungen in vier Bereiche geteilt: Als Rezipierende können Kinder und Jugendliche ungeeignete Inhalte wahrnehmen, die von anderen Akteuren bereitgestellt wurden. Als Marktteilnehmende können sie mit vertragsrechtlichen, kostenbezogenen oder datenschutzrelevanten Problemen konfrontiert sein, die eine unbeschwerte Teilhabe an der Online-Kommunikation gefährden.
Als Kommunizierende sind sie in wechselseitige Interaktionen eingebunden, in denen sie bedrängt oder beleidigt werden oder selbst andere Kinder und Jugendliche bedrängen oder beleidigen können. Sie können ungeeignete Inhalte und Hinweise auf risikobehaftete Angebote, die sie im Netz gefunden oder von anderen bekommen haben, in der Peergroup weiterverbreiten. Als Produzierende können sie selbst ungeeignete Inhalte produzieren und verbreiten oder/und durch die Veröffentlichung von eigenen Fotos, Videos etc. Persönlichkeitsrechte anderer verletzen.