Wie sich die katholische Jugend gegen Rassismus engagiert

Allein unter Weißen?

Der Fall George Floyd hat weltweit das Thema Rassismus zurück ins Bewusstsein katapultiert. Wie gehen Jugendverbände in Deutschland damit um? Gennet Patt ist selbst dunkelhäutig und erzählt im Interview von ihren Beobachtungen.

Demonstration gegen Rassismus in Berlin / © Britta Pedersen (dpa)
Demonstration gegen Rassismus in Berlin / © Britta Pedersen ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die katholischen Jugendverbände und ihr Dachverband, der BDKJ, verstehen sich selbst als Vorkämpfer einer offenen, einer gerechten und fairen Kirche und Gesellschaft. Dafür sind sie auch bekannt. Sie selbst, Frau Patt, sind dunkelhäutig und quasi allein unter Weißen. Warum ist das wohl so?

Gennet Patt (Vorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung im Erzbistum Köln): Ich glaube, dass ich in der Kirche oft alleine unter weißen Menschen bin, weil andere Menschen mit meiner Hautfarbe nur weiße Menschen in diesen Kreisen sehen. Und die Überwindung, sich dann in diese einsame Position zu stellen, weil man Lust hat mitzuarbeiten, ist sehr, sehr hoch.

Ich glaube, das ist sehr, sehr schwierig, sich in eine Umgebung selbst hinein zu stellen, wo man weiß, ich werde hier wahrscheinlich die einzige sein. Auf diversen Fotos bin ich auf jeden Fall immer dabei.

DOMRADIO.DE: Was könnte die Lösung sein? Also könnten die Jugendverbände versuchen, mehr auf diese Gruppe nicht weißer Personen zuzugehen?

Patt: Die Jugendverbände an sich machen natürlich schon viel. Es gibt seit Jahren die "Schützen gegen Rechts". Die KjG (Katholische junge Gemeinde, Anm. d.Red.) ist auf den Demos immer vertreten. Die DPSG (Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg, Anm. d. Red.) hat eine Arbeitsgruppe gegen Rechts. Also da wird schon viel darauf hingearbeitet, dass sich das ändert in der Gesellschaft.

Ich glaube, es ist wichtig, dass an der Basis, also in unseren Ortsgruppen, da schon Diversität vertreten ist und somit Menschen auf die höheren Ebenen weiterkommen und dann auch ein neues Bild verkörpern.

DOMRADIO.DE: Sie sind ja selbst eine Art "Role Model" für andere Jugendliche, die nach Ihnen kommen, oder?

Patt: Ja, das hoffe ich auf jeden Fall, weil mir das gefehlt hat.

DOMRADIO.DE: Sie haben jetzt schon ein paar Sachen aufgezählt, aber vielleicht noch mal ganz konkret: Was machen die katholischen Jugendverbände gegen Rassismus und gegen Fremdenfeindlichkeit?

Patt: Generell ist natürlich die kirchenpolitische Arbeit und die gesellschaftspolitische Arbeit sehr wichtig und da verschiedene Positionen zu beziehen. Es gab vor Jahren vom BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Anm. d. Red.) auf jeden Fall schon mehrere Anträge gegen Rechts.

Wie gerade eben gesagt: die Schützen, von denen man es vielleicht nicht so denkt, weil sie auch so ein vorurteilhaftes Klischee haben. Aber die haben seit Jahren schon ein Programm gegen Rechts, wo die sich innerverbandlich damit auseinandersetzen.

Die Pfadfinder im Erzbistum Köln haben eine Arbeitsgruppe gegen Rechts, wo sie sich mit den Themen und der Thematik auseinandersetzen.

Wir bei der KLJB hatten vor ein paar Jahren auch schon mal das Thema Rassismus auf unserer Diözesanen-Versammlung. Wir haben jetzt gemerkt in den letzten drei Wochen, dass das Thema nicht vorbei ist und wir werden uns in Zukunft auch damit auseinandersetzen. Ich glaube, viele Verbände überdenken da ihre eigene Arbeit und hinterfragen sich auch selbst, wie sie selber diese Veränderungen mit nach vorne bringen können.

DOMRADIO.DE: Wir haben jetzt schon einiges über Rassismus gesagt, so wie er leider heute immer noch da ist. Jetzt eine ganz große Frage mit der Bitte um eine kurze Antwort: Was muss grundsätzlich passieren, damit er endlich aus unseren Köpfen verschwinden kann?

Patt: Ich glaube, da sind zwei Sachen, die man angehen muss: Einmal die Bildung für die Zukunft. Also unsere Kinder, unsere Jugendlichen und unsere jungen Erwachsenen müssen sich aktiv in einem angemessenen Rahmen mit diesem Thema auseinandersetzen. Es müssen Fragen gestellt werden können. Man muss Sachen anzweifeln können. Es muss dann aber auch die Erklärung folgen, warum ein Verhalten angebracht ist oder eben nicht.

Und ich glaube, jeder Einzelne, vor allem der erwachsenen Menschen, sollte sich mit diesem Thema auseinandersetzen und versuchen, sich in die andere Position hineinzuversetzen.

DOMRADIO.DE: Sie haben jetzt gerade gesagt: Bildung ist ganz, ganz wichtig. Darauf setzen natürlich auch die kirchlichen Jugendverbände. Aber die Lehrer alleine können das wahrscheinlich kaum schaffen, oder?

Patt: Nein. Die Lehrer und Lehrerinnen, die wir haben - ich kenne auch viele, die in den Jugendverbänden aktiv sind - machen da schon sehr, sehr gute Arbeit. Sehr viel Energie stecken die da rein. Ich denke aber auch, dass der Umgang mit einem Kind zuhause und die Diskussionen darüber im eigenen Haus stattfinden sollten, sodass man sich damit auseinandersetzt. Die Eltern sind genauso in Verantwortung zu ziehen.

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich von der Gesellschaft? Was kann jeder Einzelne von ihnen tun, damit Rassismus keine Zukunft mehr hier bei uns hat?

Patt: Sich der Problematik erst einmal bewusst werden und wissen, dass es immer noch ein Problem in Deutschland gibt. Sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und den Geschichten, die Menschen mit meiner Hautfarbe erzählen, zu glauben, zuzuhören und wirklich zu versuchen, dass man sein eigenes Verhalten gegebenenfalls anpasst, wäre mein Wunsch.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Gennet Patt (privat)
Quelle:
DR