Es ist eine Marktgasse, von der es viele in Jerusalem gibt. Rechts und links kleine Läden, die Obst, Kleider oder Taschen verkaufen. Die Betreiber versuchen Touristen abzufangen. Die Straße ist an vielen stellen überdacht, und alle paar Meter kommt eine Stufe, die den leichten Anstieg hinauf führt. Die Via Dolorosa, die Straße des Schmerzes.
Hier soll Jesus Christus sein eigenes Kreuz getragen haben auf dem Weg zum Berg Golgota. Bilder, die wir aus der Bibel kennen. Die man aber schnell durch neue ersetzen muss, wenn man hier lebt.
Orte der Bibel
Michael Mohrmann lebt direkt zwischen der 7. und 8. Station des Kreuzweges: "Die Bilder die man im Kopf hat, da merkt man schnell die passen nicht. Viele Pilgergruppen kommen hier her und haben einen Garten vor Augen und suchen dann den Hügel Golgota, wo den neutestamentlichen Evangelien zufolge Jesus gekreuzigt wurde, und die Grabeskirche auf. Dann merken sie, das ist eine Welt, die sie nicht kennen. Andererseits ist es sehr spannend, gerade da zu sein, wo sich in unmittelbarer Nachbarschaft von unserem Haus wirklich sehr viel ereignet hat. Wenn man die Evangelien liest, tut man das mit ganz anderen Sinnen."
Gemeinsam mit seiner Frau betreibt er seit eineinhalb Jahren den Christus-Treff Jerusalem, ein Begegnungsort für Christen und junge Leute, der vom evangelischen Johanniter-Orden getragen wird. Regelmäßig tun hier Jugendliche und junge Erwachsene einen Freiwilligendienst. Für viele ist das ein großes Erlebnis, genau da zu leben, wo Jesus seine letzten Schritte getan hat oder getan haben soll.
Pilgermassen auf engstem Raum an Karfreitag
Ob er wirklich den Weg der heutigen Via Dolorosa eingeschlagen hat, wird debattiert. Überhaupt hat sich die Anmutung der Straße und der Jerusalemer Altstadt in 2000 Jahren um einiges geändert. Das Straßenniveau war einige Meter tiefer. Vieles sieht nicht mehr so aus, wie damals. Auch über den Weg, den Jesus gegangen ist, wird viel geforscht.
Zum Karfreitag ziehen tausende von Pilgern auf den Spuren Jesu durch die Straße, von Station zu Station. In diesem Jahr werden es sogar noch mehr. Denn in diesem Jahr feiern westliche und orthodoxe Christen zum gleichen Zeitpunkt Ostern. Das kommt nur alle paar Jahre mal vor.
Ströme regulieren
Die Behörden haben sogar schon eine Warnung für die Altstadt herausgegeben. Der Karfreitag ist auch eine Herausforderung für die Betreiber und Freiwilligen im Christus-Treff, sagt Michael Mohrmann: "Die Polizei ist hier dann stark präsent und versucht die Ströme zu regulieren. Dann sind auch immer Polizisten direkt vor unserem Haus. An den Tagen müssen wir ein bisschen aufpassen, wann wir einkaufen gehen zum Beispiel. Manchmal wird dann der Zugang zu unserem Haus schon gesperrt."
Wenn die Pilger am Freitag von Station zu Station ziehen, wird das jeder auf seine Weise tun, erzählt der Anwohner der Via Dolorosa: "Die einen knien sich, die anderen singen, andere beten still den Rosenkranz, wieder andere kommen mit Gitarre und singen fröhliche Lieder. Dann gibt es manchmal Umzüge arabischer Christen mit Dudelsack. Das ist einfach sehr sehr bunt hier."
Konflikte in Jerusalems Altstadt
Das Leben in Jerusalem, und auch in der Altstadt, ist nie ganz konfliktfrei. Christen, Juden und Muslime leben hier auf engstem Raum zusammen und teilen sich sogar einige der Heiligtümer. Immer wieder liest oder hört man von Attentaten. Obwohl die meist vor den Toren der Altstadt passieren, gab es in den letzten Jahren auch immer wieder Messerangriffe in den gleichen Basarstraßen, wo auch Michael Mohrmann und die jugendlichen Freiwilligen unterwegs sind.
Große Gedanken machen sie sich nicht. "Wir fühlen uns eigentlich sehr sicher hier. Auch die jungen Leute die hier sind gehen sehr frei mit der Situation um. Die Altstadt hat hunderte von Kameras, das ist einer der bestbewachten Orte hier in der Umgebung. Unsere Leute gehen auch abends durch die Altstadt und fühlen sich keineswegs ängstlich dabei."
Freundschaftliches Verhältnis zwischen Christen und Muslimen
Der Christus-Treff liegt direkt an der Grenze des christlichen und des muslimischen Teils der Altstadt. Zu den muslimischen Ladenbetreibern rundum haben die Bewohner und Hausherren ein freundschaftliches Verhältnis.
Der Konflikt in Jerusalem ist mehr einer zwischen Juden und Muslimen. Als orthodoxer Jude ist man also nicht all zu sicher im muslimischen Viertel. Michael Mohrmann: "Wir haben einige jüdische Freunde, die etwas Mühe haben hier zu unserem Haus zu kommen. Die fragen durchaus, ob wir sie nicht abholen können von einem der Stadttore."
Konflikt außerhalb der Stadtmauern
Trotzdem spielt sich der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern meistens außerhalb der Stadtmauern ab - im palästinensischen Ost-Teil der Stadt, wo aus Protest einige jüdische Siedler wohnen, oder an der Mauer zum Westjordanland. Innerhalb der Mauern der Altstadt bleibt es meist ruhig, auch weil sowohl jüdische wie auch arabische Händler dort auf die Touristen angewiesen sind, und deshalb zwar kein friedliches, aber ein ruhiges Miteinander pflegen. Zu Gewalttaten kommt es hier also selten. "Die Leute in Jerusalem sehnen sich nach Frieden. Man bekommt das mit, auch die Anschläge bekommt man mit, und das tut weh. Wir beten deshalb täglich für Frieden und Versöhnung für dieses Land."