Alterzbischof Schick predigt am Kolbe-Tag in Auschwitz

"Gegner rechtsextremer Positionen"

72 Jahre nach der Ermordung des Franziskanerpaters Maximilian Kolbe in Auschwitz hat Ludwig Schick bei einem Gottesdienst in der Gedenkstätte dessen "Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten" gewürdigt. Er hält Kolbe für ein Vorbild.

Hinter Stacheldraht: Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Giorgi L (shutterstock)
Hinter Stacheldraht: Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau / © Giorgi L ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Der Gedenktag für Maximilian Kolbe fällt in diesem Jahr in eine Zeit, in der nicht nur der Rechtsextremismus in Europa im Aufwind ist, sondern auch Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Das haben Sie in Ihrer Predigt aufgegriffen?

Erzbischof em. Ludwig Schick (Erzbistum Bamberg)

Erzbischof em. Ludwig Schick (Vorsitzender des Stiftungsrates der Maximilian-Kolbe-Stiftung und früherer Erzbischof von Bamberg): Ja, das ist dem Gedenken des Heiligen Maximilian Kolbe geschuldet. Er war wirklich ein Europäer. Er hat für Versöhnung und Frieden gekämpft, gelitten und letztlich sein Leben hingegeben. Wenn wir an ihn denken, dann müssen wir uns auch für Solidarität, für die Gleichberechtigung und Würde aller Menschen einsetzen, unabhängig von Hautfarbe, von Religion und Rasse.

Maximilian Kolbe ist uns ein großer Mahner und auch ein gutes Vorbild in dieser schwierigen Zeit für Deutschland, für Europa. Besonders habe ich heute natürlich auch an die Ukraine gedacht.

DOMRADIO.DE: Welche Bedeutung hat eine Figur wie Maximilian Kolbe mit Blick auf das Erstarken der extremen Rechten in Europa und gerade auch in Deutschland?

Schick: Maximilian Kolbe hat sich für das eingesetzt, was von den extremen Rechten geleugnet wird, nämlich für die Menschenwürde aller Menschen - unabhängig von Nation, Rasse und auch Religion. Er hat sich für die Menschenrechte aller Menschen eingesetzt, wiederum unabhängig von ihrer Hautfarbe und von allem, was sie voneinander unterscheidet.

Wenn Maximilian Kolbe heute gefeiert wird, dann auch als Gegner von rechtsextremen Positionen. Er ruft uns auf, uns zu bekehren und für Versöhnung, Frieden, Gleichberechtigung und Menschenwürde einzusetzen.

DOMRADIO.DE: Maximilian Kolbe hat in seiner Biografie durchaus auch dunkle Seiten. Bis in die Gegenwart hinein gab es den Vorwurf, er sei antisemitisch gewesen, weil in den katholischen Zeitungen, die er herausgab, antisemitische Artikel erschienen. Was sagen Sie dazu?

Maximilian Kolbe (KNA)
Maximilian Kolbe / ( KNA )

Schick: Heilige werden Heilige und sind es nicht von Anfang an. Maximilian Kolbe, das wissen wir, hat in seinen jungen Jahren, auch als er in Rom war, sehr hart über Juden und auch über die Freimaurer gesprochen. Er hat auch Aussagen gemacht, die wir heute als antijüdisch einordnen müssen.

Aber er hat sich im Laufe der Zeit bekehrt. Als er zum zweiten Mal aus Niepokalanów ins KZ Auschwitz abgeführt wurde, geschah das auch, weil er Tausende Juden in seinem Kloster versteckt hatte.

Maximilian Kolbe hat sich also wirklich bekehrt, ist zu einem Menschen geworden, der eine universale Liebe pflegte. Auch in dieser Hinsicht ist er uns ein gutes Beispiel: Wir müssen uns von Fehlern befreien, so wie Maximilian Kolbe es getan hat.

Jeder von uns hat auch eine Schlagseite. Aber wenn wir ihm in der Bekehrung folgen, können wir auch wir heilige Menschen werden wie er. Menschen also, die die anderen Menschen ansehen wie Gott und die die Mitmenschen lieben, wie Gott sie liebt. Und Gott liebt alle. Das ist Christentum, darauf kommt es an.

DOMRADIO.DE: Jetzt gibt es ja auch in der AfD Leute, die ihr Katholisch-Sein betonen, etwa der frisch gekürte Kandidat zur Europawahl,  Maximilian Krah. Da mag manch Wähler denken: "Wenn der katholisch ist, kann doch ich als Katholik auch diese Partei wählen." Was würden Sie so jemandem sagen?‘

Schick: "Schaut genau hin", würde ich sagen. Schaut genau hin, ob das Leben, ob die Aussagen, ob das Verhalten solcher Politiker dem Beispiel Jesu entsprechen oder nicht. Es kommt bei Christen nicht darauf an, was sie nach außen kundgeben, sondern es kommt darauf an, was sie innerlich sind und dann auch nach außen kundgeben.

Wenn einer gegen die Gleichberechtigung aller ist, dann ist er nicht im echten Sinn in der Nachfolge Jesu. Wenn jemand Unterschiede zwischen den Menschen macht, wenn er sich nicht um Flüchtlinge kümmert, wenn sie in Not sind, dann ist das nicht mit Jesus Christus zu vereinbaren. "An ihren Taten werdet ihr sie erkennen", hat Jesus gesagt. Darauf muss jeder schauen.

Heiligsprechung von Maximilian Kolbe durch Papst Johannes Paul II. im Jahr 1982 (KNA)
Heiligsprechung von Maximilian Kolbe durch Papst Johannes Paul II. im Jahr 1982 / ( KNA )

DOMRADIO.DE: Würden Sie denn sagen: Für Christen, für Katholiken ist die AfD nicht wählbar?

Schick: Ich würde das nicht auf Parteien applizieren. Ich würde sagen: "Schaut genau hin, wie die Programme sind, wie die Aussagen sind, und dann trefft eine entsprechende Wahl".

DOMRADIO.DE: Die Maximilian-Kolbe-Stiftung bemüht sich um Aussöhnung, ursprünglich zwischen Deutschland und Polen, jetzt auch weiter gefasst. Wie setzen Sie sich denn zum Beispiel mit Blick auf die Ukraine für Versöhnung ein?

Schick: Indem wir alles tun, was möglich ist, um den Flüchtlingen zu helfen. Das ist eine konkrete Tat der Nächstenliebe und der Versöhnung. Natürlich wollen wir auch mit Politikern ins Gespräch kommen. Wir als Kirchen versuchen auch, uns gegenseitig dazu anzuhalten, mit einer Stimme zu sprechen und um Frieden, um die Beendigung des Krieges zu ringen.

Da beziehen wir auch das Patriarchat in Moskau mit ein. Die hören noch nicht so auf uns und setzen sich nicht genügend für den Frieden ein. Aber das ist unsere Forderung, das ist unser Gebet. Wir versuchen mit allen Mitteln, den Krieg zu beenden, damit die Flüchtlinge zurückkehren können, die Ukraine unabhängig ist und bleibt und wiederaufgebaut werden kann.

Wir schauen dabei auf Maximilian Kolbe. Er führt uns auf gute christliche Wege. Das sind gute Wege für die Zukunft.

Das Interview führte Hilde Regeniter.

Maximilian-Kolbe-Werk

Die katholische Hilfsorganisation Maximilian-Kolbe-Werk setzt sich für Überlebende der nationalsozialistischen Konzentrationslager und Ghettos in den Staaten Ost- und Mitteleuropas ein. Neben finanzieller Hilfe organisiert das 1973 gegründete Hilfswerk Erholungs- und Kuraufenthalte in Deutschland und in den Herkunftsländern der Überlebenden.

Statue von Maximilian Kolbe in einer Kirche in Ravenna / © GoneWithTheWind (shutterstock)
Statue von Maximilian Kolbe in einer Kirche in Ravenna / © GoneWithTheWind ( shutterstock )
Quelle:
DR