Angekündigt hatte sie es schon vor Monaten. Nun hat die frühere SPD-Chefin auch diesen Schritt vollzogen und ihr Bundestagsmandat niedergelegt. Zum 1. November hat Andrea Nahles damit kein politisches Amt mehr. Sie will beruflich neue Wege einschlagen, wenn sie auch - typisch Nahles - weiter für die SPD Plakate kleben werde, wie sie Mitarbeitern aus dem Willy-Brandt-Haus bei ihrem Abschied erzählte.
Ansonsten ist Nahles abgetaucht - bis auf einen öffentlichen Auftritt, den sie Anfang August hatte. An einem für die Katholikin ganz besonderen Ort unweit ihres Wohnortes, dem Kloster Maria Laach in der Eifel, hielt sie einen Vortrag, zugesagt hatte sie den Termin schon vorher - absagen wollte sie nicht. Dort sprach sie über "Die Gleichberechtigung von Mann und Frau laut Grundgesetz und im wahren Leben".
Als erste Frau an der Spitze von Fraktion und Partei
Für die Bundespartei, deren Mitglieder vom heutigen Montag an ihre Parteispitze neu wählen können, geht damit eine wichtiges Kapitel zu Ende, zuletzt ein vom Großteil ihrer Fraktion ungeliebtes.
Dabei hat Nahles für die SPD viel geleistet: In der Vorgänger-Regierung galt sie als fleißigste Ministerin und erarbeitete viele Gesetze, die auf mehr soziale Gerechtigkeit abzielten. Als erste Frau stand sie zudem an der Spitze von Fraktion und Partei. Auch der frühere Unionsfraktionschef Volker Kauder lobte ihre Zuverlässigkeit.
Zugleich war der 49-Jährigen ihr katholischer Glaube wichtig - eine in der SPD eher ungewöhnliche Kombination. Im Willy-Brandt-Haus hatte sie auf ihrem Schreibtisch stets eine Büste von Karl Marx neben einem Kreuz aus "ihrem" Kloster. "Frau, gläubig, links", so hat sie dann auch folgerichtig ihre Biografie genannt, die vor zehn Jahren erschien und in der sie auch ausführlich von ihrer katholischen Prägung erzählt. Vielen ihrer Parteigenossen war damals diese "katholische Seite" von Nahles neu, nicht wenige stießen sich auch daran.
Nahles war Messdienerin und in ökumenischer Gruppe
Andrea Nahles wuchs in einem katholischen Elternhaus als Tochter eines Maurermeisters in der Eifel auf. Sie war in ihrer Gemeinde Messdienerin und in einer ökumenischen Jugendgruppe aktiv. Nach dem Abitur - in der Abi-Zeitung gab sie "Hausfrau oder Bundeskanzlerin" als Berufswunsch an - studierte sie Politik, Philosophie und Germanistik in Bonn.
Parallel dazu stieg Nahles in der SPD auf: Als 18-Jährige trat sie in die Partei ein, 1995 wurde sie Bundesvorsitzende der Jusos. Mitglied im SPD-Parteivorstand ist sie seit 1997, dem Präsidium gehört sie seit 2003 an. In den Bundestag kam sie erstmals 1998.
Bevor sie 2013 Arbeitsministerin wurde, war sie vier Jahre lang SPD-Generalsekretärin. Dann wurde sie Fraktions- und Parteivorsitzende. Auch da hatte sie in ihrer kämpferischen Bewerbungsrede als SPD-Chefin betont, wie ungewöhnlich ihr Aufstieg war. "Katholisch, Arbeiterkind, Mädchen, Land - und es war nicht unbedingt logisch, dass ich in der SPD Karriere machen werde".
"Glaube ist eine wichtige Triebkraft in schwierigen Zeiten"
In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärte sie einmal, dass sich ihre politische Aktivität aus ihrer religiösen Überzeugung ableiten lässt. "Aus meinem Christsein lässt sich mein Kompass für Gerechtigkeitsfragen entwickeln", sagte sie und erklärte dann: "Im Grunde entstand das linke, das sozialdemokratische Engagement aus meinem Engagement in der katholischen Kirche."
Zugleich betonte sie mehr als einmal, dass ihr "der Glaube eine wichtige Triebkraft in schwierigen Zeiten" sei. Sicherlich hilft er Nahles, die sich vor drei Jahren von ihrem Mann trennte und mit ihrer inzwischen achtjährigen Tochter in der Eifel lebt.
So ganz abgetaucht war sie indes auch dort nicht: Nahles wäre nicht Nahles, wenn sie nicht all ihre Mitarbeiter bei der Suche nach einem neuen Job unterstützt hätte - sie haben inzwischen alle etwas gefunden, wie zu hören ist. Nun kann sie sich selbst umschauen.
Von Birgit Wilke