Lange war sie abgetaucht, nur enge Vertraute aus der Partei hatten in den vergangenen Wochen Kontakt zu ihr. Jetzt hat sie am Montag ihren ersten öffentlichen Auftritt nach ihrem Rücktritt als SPD-Chefin - an einem für sie ganz besonderen Ort: Andrea Nahles hält im Kloster Maria Laach einen Vortrag über "Die Gleichberechtigung von Mann und Frau laut Grundgesetz und im wahren Leben."
Das Kloster liegt unweit ihres Wohnortes in der Eifel. Lange Zeit hatte sie sich regelmäßig eine Woche im Jahr ins Kloster zurückgezogen. Beim ZDF-Sommerinterview im vergangenen Jahr hatte sie es zum Ort für das Gespräch ausgewählt und von der besonderen Spiritualität des Klosters geschwärmt. Seitdem ist viel passiert: Nahles geriet in Partei und Fraktion immer stärker in die Defensive, schließlich trat sie Anfang Juni von all ihren politischen Ämtern zurück. Laut "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" erwägt sie nun Anfang September auch ihr Bundestagsmandat niederzulegen.
Keine Taufscheinkatholikin
Nun also wieder Maria Laach. Zugesagt hatte sie den Auftritt noch als Chefin der SPD. Ob sie zwischendurch erwogen hat, abzusagen, ist nicht bekannt. Es wäre typisch Nahles, wenn sie sich den Ort bewusst aufgehoben hätte, um sich wieder der Öffentlichkeit zu zeigen. Denn Nahles ist keine Taufscheinkatholikin.
"Frau, gläubig, links", so hat sie ihre Biografie genannt, die vor zehn Jahren erschien und in der sie auch ausführlich von ihrer katholischen Prägung erzählt. Vielen ihrer Parteigenossen war damals diese "katholische Seite" von Nahles neu, nicht wenige stießen sich auch daran.
Die heute 49-Jährige wuchs in einem katholischen Elternhaus als Tochter eines Maurermeisters in der Eifel auf. Sie war in ihrer Gemeinde Messdienerin und in einer ökumenischen Jugendgruppe aktiv. Nach dem Abitur - in der Abi-Zeitung gab sie "Hausfrau oder Bundeskanzlerin" als Berufswunsch an - studierte sie Politik, Philosophie und Germanistik in Bonn.
Steile Karriere
Parallel dazu stieg Nahles in der SPD auf: Als 18-Jährige trat sie in die Partei ein, 1995 wurde sie Bundesvorsitzende der Jusos. Mitglied im SPD-Parteivorstand ist sie seit 1997, dem Präsidium gehört sie seit 2003 an. In den Bundestag kam sie erstmals 1998. Bevor sie 2013 Arbeitsministerin wurde, war sie vier Jahre lang SPD-Generalsekretärin. Dann wurde sie - als erste Frau in ihrer Partei - Fraktions- und Parteivorsitzende.
Auch da hatte sie in ihrer kämpferischen Bewerbungsrede betont, wie ungewöhnlich ihr Aufstieg war. "Katholisch, Arbeiterkind, Mädchen, Land - und es war nicht unbedingt logisch, dass ich in der SPD Karriere machen werde".
Christsein als Kompass in Politik und Privatleben
In einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) erklärte sie einmal, dass sich ihre politische Aktivität aus ihrer religiösen Überzeugung ableiten lässt. "Aus meinem Christsein lässt sich mein Kompass für Gerechtigkeitsfragen entwickeln", sagte sie und erklärte dann: "Im Grunde entstand das linke, das sozialdemokratische Engagement aus meinem Engagement in der katholischen Kirche."
Zugleich betonte sie mehr als einmal, dass ihr "der Glaube eine wichtige Triebkraft in schwierigen Zeiten" sei. Die hatte sie in der vergangenen Jahren nicht nur in der Politik. Auch privat musste sie einiges einstecken: So wurde vor gut drei Jahren das Scheitern ihrer Ehe bekannt. Die inzwischen achtjährige Tochter wächst bei ihr in der Eifel auf.
Respekt und Anerkennung
Nicht verwunderlich also, dass sich nach ihrem Rücktritt auch viele Stimmen aus der katholischen Kirche meldeten. So sagte der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg: "Gerade heute möchte ich Andrea Nahles meinen Respekt und meine Wertschätzung aussprechen." Sie habe in schwerer Zeit Verantwortung übernommen und sich für soziale Gerechtigkeit und internationale Solidarität eingesetzt: "Ich hoffe, dass sie dies auch weiterhin an wichtiger Stelle tun kann", sagte er der KNA. Im obersten Laiengremium der katholischen Kirche ist Nahles selbst nach wie vor Mitglied.
Fragen zu ihrem Rücktritt will Nahles im Kloster Maria Laach indes nicht beantworten. Nur Fragen zu ihrem Vortrag, so hatte sie direkt vorab verlauten lassen, erklärte der Pressesprecher der Abtei.