Anfeindungen gegen russischstämmige Menschen

"Geht gar nicht"

Menschen aus Russland oder mit russischen Wurzeln sehen sich in Deutschland seit dem Angriff auf die Ukraine offenbar Anfeindungen ausgesetzt. Das berichtet der "Spiegel" am Wochenende mit Verweis auf Zahlen des Bundeskriminalamts.

Autor/in:
Paula Konersmann
Demonstranten protestieren in New York gegen die russische Invasion der Ukraine / © Milo Hess (dpa)
Demonstranten protestieren in New York gegen die russische Invasion der Ukraine / © Milo Hess ( dpa )

Demnach registrierten die Ermittler 318 strafrechtlich relevante Ereignisse im Zusammenhang mit dem Russland-Ukraine-Konflikt. Dabei geht es um Sachbeschädigungen über Beleidigungen bis hin zu Bedrohung im Internet und auf der Straße.

Bei der Berliner Polizei wurden seit 24. Februar bislang 86 Sachverhalte bekannt, wie es hieß. "Wir alle werden ständig in einen Topf geworfen, mit Putin und seinen Gräueltaten gleichgestellt, nur weil wir mal in der Sowjetunion gelebt haben", sagte Dietmar Schulmeister, der sich für die Interessen der Russlanddeutschen in Nordrhein-Westfalen einsetzt, dem Magazin.

Russlands Präsident Wladimir Putin / © Andrei Gorshkov (dpa)
Russlands Präsident Wladimir Putin / © Andrei Gorshkov ( dpa )

Dabei sei die Mehrheit sicher nicht auf der Seite des russischen Präsidenten Wladimir Putin.

Arbeit in Trümmern

Viele deutsch-russische Vereine und Organisationen seien durch den Krieg in eine existenzielle Krise geraten, wie es weiter hieß. "Wir stehen vor den Trümmern unserer Arbeit", sagte Martin Hoffmann, geschäftsführender Vorstand des Deutsch-Russischen Forums in Berlin. Das Forum hat in der Vergangenheit oft die Politik des Kremls verteidigt.

Nun aber, so Hoffmann, habe Putin eine rote Linie überschritten. "Wir sind sehr erschüttert, dass nun alles infrage gestellt ist, woran wir geglaubt haben".

Kein Feindbild entwickeln

Für Karin von Bismarck, Vorstandsvorsitzende des Wirtschaftsclubs Russland, hat der Krieg die ehrenamtliche Arbeit grundlegend verändert. Der Verein setzt sich nach eigenen Angaben seit 2010 für eine bessere wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland ein. Der Fokus müsse jetzt allein auf zivilgesellschaftlicher Hilfe liegen, sagte von Bismarck: "Uns ist es wichtig, dass sich jetzt kein absolutes Feindbild gegenüber Russen entwickelt."

Käßmann: Völker nicht ausspielen

Kritik an der Entwicklung übte die Theologin Margot Käßmann. "Wir alle sind schockiert über die Bilder aus der Ukraine. Aber das darf nicht dazu führen, dass es hier zu Hass auf Menschen kommt", schreibt sie in der "Bild am Sonntag". 

Margot Käßmann 2021 in Hannover / © Julian Stratenschulte (dpa)
Margot Käßmann 2021 in Hannover / © Julian Stratenschulte ( dpa )

"Dass Kinder drangsaliert werden und Restaurants keine russischen Gäste mehr bewirten wollen, geht gar nicht. Und wenn Geschäfte, die russische Waren verkaufen, beschmiert oder beschädigt werden, erinnert das an die Nazidiktatur."

Sie freue sich über die Hilfsbereitschaft gegenüber der Ukraine, betonte die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

"Sie erhält aber einen schalen Beigeschmack, wenn sie dazu führt, dass Menschen, die aus Russland stammen, oder russische Bürger, die in unserem Land leben, angegriffen werden." Wenn dies passiere, "unterliegen auch wir der Logik des Krieges", mahnte Käßmann.

Stattdessen müsse man sich um friedliches Zusammenleben bemühen: "Das ist Widerstand gegen die Versuche, Völker gegeneinander auszuspielen."

 

 

Quelle:
KNA