Anglikanischer Bischof für Europa über Krieg und Klimawandel

"Verbindungen mit den Katholiken sind so eng wie noch nie"

Der anglikanische Bischof für Europa, Robert Innes, plädiert dafür, das Gespräch zwischen der russisch-orthodoxen und anderen christlichen Kirchen nicht abreißen zu lassen. Auf der Suche nach Frieden rät er zu einer Pilgerreise.

Robert Innes, Bischof der Diözese in Europa der Kirche von England / © Sabine Kleyboldt (KNA)
Robert Innes, Bischof der Diözese in Europa der Kirche von England / © Sabine Kleyboldt ( KNA )

KNA: Bischof Robert, wie bewerten Sie den Verlauf der Lambeth-Konferenz?

Bischof Robert Innes (Anglikanischer Bischof für Europa): Ich bin sehr zufrieden. Viele waren vorher etwas nervös wegen der Differenzen in unserer großen Kirchengemeinschaft. Aber tatsächlich hat sich großes Vertrauen entwickelt. Dazu waren zum Beispiel die kleinen Bibelgruppen hilfreich, wo Verbundenheit zwischen Leuten aus sehr unterschiedlichen Hintergründen entstehen konnte. Überhaupt ist es sicher der größte Gewinn, unsere Geschichten zu teilen und uns über die verschiedenen Traditionen und Ansichten auszutauschen.

Bischöfe und Bischöfinnen versammeln sich auf einer Wiese zum Gruppenfoto während der Lambeth-Konferenz / © Sabine Kleyboldt (KNA)
Bischöfe und Bischöfinnen versammeln sich auf einer Wiese zum Gruppenfoto während der Lambeth-Konferenz / © Sabine Kleyboldt ( KNA )

KNA: Was wollten Sie als Bischof von Europa den Bischöfinnen und Bischöfen aus 165 Ländern weitergeben?

Innes: Mein Fokus liegt im Moment auf dem Krieg in der Ukraine. Ich wünsche mir, dass die Menschen aus anderen Teilen der Welt verstehen, wie ernst dieser Krieg ist, welche Folgen er etwa für die Nahrungssicherheit hat und dass er auch den globalen Frieden bedroht. Wir dachten immer, Instabiltiät und Krieg sind Phänomene, die wir nicht mehr in Europa haben. Weit gefehlt. Jetzt bitten wir um Verständnis und Gebet von Menschen aus anderen Teilen der Welt, die alle nur allzu gut verstehen, was Krieg bedeutet.

KNA: Sie waren im Juli selbst in Moskau. Wie kam es dazu?

Innes: Ich war eingeladen vom russisch-orthodoxen Patriarchat. Wir haben eine anglikanische Gemeinde in Moskau, und ich war drei Tage dort, um unseren Priester dort zu unterstützen. Er kümmert sich um die Menschen in Moskau und liebt Russland, genau wie ich. Er ist sehr daran interessiert, weiterhin bei seiner Gemeinde zu bleiben. Die Lage ist äußerst angespannt, und es war sehr mutig von ihm, dort zu bleiben in einer Zeit, in der viele Expatriots, die zum Beispiel in Botschaften oder Unternehmen arbeiten, gehen mussten.

KNA: Was haben Sie dort über den Ukraine-Krieg gehört?

Innes: Darüber muss man sehr diskret sein. Wir haben darüber natürlich unter uns gesprochen, aber ich bin nicht dort gewesen, um meine Meinung über die russische Regierung zu äußern. Das ist illegal und kann mit bis zu 15 Jahren Gefängnis bestraft werden.

KNA: Was können Sie als Bischof für die Menschen tun?

Innes: Es ist sehr wichtig, dass wir die Kommunikationskanäle offen halten. Ich habe seit langem Verbindungen mit Kollegen in der russisch-orthodoxen Kirche und möchte sie unbedingt fortsetzen, denn in so vielen Bereichen ist der Kontakt mit Russland gekappt worden. Wir sind alle Brüder und Schwestern in Christus, Russisch-Orthodoxe, Katholiken, Anglikaner. Der Konflikt hat auch eine religiöse Dimension. Er wird mit der Geschichte von Kain und Abel verglichen, die Brüder waren, beinahe wie Ukrainer und Russen. Fast alle Ukrainer sprechen Russisch, viele sind orthodoxe Christen, viele von der russisch-orthodoxen Kirche. Also ist da ganz offensichtlich ein religiöser Aspekt. Umso mehr sind wir Christen in der Pflicht, gemeinsam für den Frieden zu arbeiten.

Bischof Robert Innes (Anglikanischer Bischof für Europa)

"Wir haben eine Art Pilgerreise für den Frieden vorgeschlagen, die die Leiter der Konfessionen, die im Ökumenischen Rat der Kirchen, dem ÖRK, vertreten sind, nach Kiew und Moskau unternehmen könnten."

KNA: Was heißt das konkret?

Innes: Wir haben eine Art Pilgerreise für den Frieden vorgeschlagen, die die Leiter der Konfessionen, die im Ökumenischen Rat der Kirchen, dem ÖRK, vertreten sind, nach Kiew und Moskau unternehmen könnten. Als ich das den Kollegen in der russisch-orthodoxen Kirche sagte, haben sie das sehr begrüßt. Also könnten Anglikaner-Primas Erzbischof Justin Welby, Papst Franziskus und andere religiöse Führer bei den Vermittlungen für einen Friedensprozess eine wichtige Rolle spielen.

KNA: Allerdings sind die Katholiken nicht Mitglied im ÖRK.

Innes: Ja, dennoch sollten sie bei dieser Pilgerreise dabei sein. Erzbischof Welby und Papst Franziskus verbindet seit langem eine sehr enge Freundschaft, sie treffen sich regelmäßig und beten füreinander. Ich bin darüber sehr erfreut! Ich denke, die Verbindungen zwischen Anglikanern und Katholiken auf höchster Ebene waren wohl niemals so eng wie heute. Lange mögen sie halten!

Papst Franziskus und Justin Welby / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Papst Franziskus und Justin Welby / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )

KNA: Bei der Konferenz spielte die Frage nach dem Umgang mit homosexuellen Menschen eine wichtige Rolle - zumindest besteht der Eindruck.

Innes: Tatsächlich haben wir darüber nur sehr kurz gesprochen. Was in meinen Augen Priorität für uns haben sollte, sind Themen wie Armut, Ungerechtigkeit und Klimawandel. Außerhalb der Konferenz, insbesondere in Sozialen Medien, wollte man uns dazu bringen, uns völlig auf das Thema zu fokussieren. Aber so ist es nicht geschehen aus meiner Sicht. Das entsprechende Papier wurde vorgestellt, Welby hat einführende Worte gesprochen und erhielt dafür Standing Ovations. Außerdem hat er einen Brief an die Bischöfe des Globalen Südens geschrieben, die vielfach auf die traditionelle Sicht, dass nur die Ehe zwischen Frau und Mann biblisch ist, bestehen. Ich denke, die Kontroverse ist verebbt, jedenfalls für diese Konferenz.

KNA: Sind wir manchmal zu sehr auf unsere europäische Perspektive fokussiert?

Innes: Ja, denn schließlich ist die christliche Kirche im allgemeinen und die Anglikanische Gemeinschaft im besonderen vor allem im globalen Süden vertreten. Im Norden sind die Gemeinden kleiner und älter. Also eine Konferenz wie diese gibt uns die Möglichkeit, aus erster Hand Erfahrungen mit dem Klimawandel zu hören. Das ist die größte Bedrohung für die Menschheit! Wenn wir hier nichts tun, wird nicht nur unsere Natur zerstört, sondern wir bekommen verheerende Folgeprobleme wie Migration, Kriege, Hunger. Und bei all dem sind die Industrienationen im Norden und Westen die Hauptverursacher. Ich denke, die Anglikanische Kirche hat die Pflicht, dieses globale Problem zu adressieren, denn wir sind eine globale Gemeinschaft.

Das Interview führte Sabine Kleyboldt.

Anglikanische Kirche

Die anglikanische Kirche entstand zur Zeit der Reformation in England. König Heinrich VIII. brach 1533 mit dem Papst, weil dieser sich weigerte, die Ehe des Königs zu annullieren. Als Oberhaupt einer neuen Staatskirche setzte sich Heinrich VIII. 1534 selbst ein. In Glaubensfragen blieben die Anglikaner zunächst bei der katholischen Lehre; später setzten sich protestantische Einflüsse durch. 1549 erschien das erste anglikanische Glaubensbuch, das «Book of Common Prayer».

Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel (epd)
Die Kathedrale von Canterbury, Sitz des anglikanischen Erzbischofs / © Sambraus, Daniel ( epd )
Quelle:
KNA
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