Anglikanischer Bischof von London geht aus Altersgründen

Kommt jetzt eine Frau als Hauptstadtbischof?

Die Nummer drei der anglikanischen Hierarchie, Bischof Richard Chartres von London, scheidet an diesem Donnerstag vor seinem 70. Geburtstag aus dem Amt. Ist vielleicht schon jetzt die Zeit für eine Hauptstadtbischöfin gekommen?

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Bischof Richard Chartres (l.) mit Kardinal Vincent Nichols im Hampton Court Palace / © Facundo Arrizabalaga (dpa)
Bischof Richard Chartres (l.) mit Kardinal Vincent Nichols im Hampton Court Palace / © Facundo Arrizabalaga ( dpa )

Richard Chartres ist kein Mann von Sentimentalitäten. Sein Nachfolger solle bis 2020 fit sein, meint er, um dann eine prägende Rolle bei der kommenden Lambeth-Konferenz spielen zu können, dem höchsten Beschlussgremium der anglikanischen Weltgemeinschaft.

Dafür räumt Chartres noch vor seinem 70. Geburtstag seinen Bischofsstuhl in der Londoner St. Paul's Cathedral. Die Feier von Mariä Lichtmess an diesem Donnerstag soll sein letzter Auftritt im Amt sein.

Nummer drei der anglikanischen Hierarchie

Der Posten ist nicht irgendeiner. Der Bischof von London ist nicht nur die Nummer drei der anglikanischen Hierarchie nach den Erzbischöfen von Canterbury und York. Als einer von fünf "Geistlichen Lords" ist er geborenes Mitglied des Oberhauses. Zudem ist der Bischof von London auch Dekan der – rechtlich eigenständigen – königlichen Kapellen, was ihm einen privilegierten Zugang zur Royal Family gibt. Wegen dieser Nähe wird er auch als "the King's bishop" bezeichnet.

Der charismatische Chartres, seit 1995 als 132. Londoner Bischof im Amt, hat freundschaftliche Bande mit mehreren Royals geknüpft. Vor allem mit dem ewigen Thronfolger Charles, mit dem er gemeinsam am Trinity College in Cambridge studierte und mit dem er sein Engagement für Umweltschutz und Kulturpflege teilt.

Obwohl Vertrauter des Prince of Wales, war Chartres qua Amt auch einer der Testamentsvollstrecker für die 1997 verunglückte Prinzessin Diana und hielt 2007 die Rede zu ihrem zehnten Todestag. Auch leitete er 2013 die Trauerfeier für Ex-Premierministerin Margaret Thatcher. Seit 1982 verheiratet mit einer Journalistin, ist er Vater von vier Kindern.

Ökumenisch gesinnt

In seiner mehr als 20-jährigen Ägide erlebte die Diözese London in schwieriger Zeit eine gewisse geistliche Renaissance. Zugleich zeigte sich der frühere anglikanische Theologieprofessor Chartres in seiner Amtszeit ökumenisch gesinnt. Höhepunkt war im Februar 2016 die erste katholische Messe seit etwa 450 Jahren in der königlichen Kapelle von Hampton Court – jenes Schlosses, das Heinrich VIII. 1528 seinem Lordkanzler Kardinal Thomas Wolsey abgenommen hatte, weil dieser sich weigerte, die Eheannullierung des Königs in Rom zu befördern.

Hier scherzte nun der anglikanische Londoner Bischof Chartres, viele Menschen dächten wohl, dass sich der anglikanische Dekan und ein katholischer Erzbischof "wie zwei Frettchen in einem Leinensack" bekämpfen müssten. Und er beendete seine Predigt mit der symbolträchtigen Adresse an den katholischen Hauptstadt-Erzbischof Vincent Nichols: "Willkommen zu Hause, Herr Kardinal!"

"Bischof der Königin"

Wenn Chartres auch ab Donnerstag nicht mehr "London" sein wird – Dekan der königlichen Kapellen wird er auf Wunsch von Königin Elizabeth II. weiter bleiben, bis der 133. Bischof von London ernannt ist. Diese Entscheidung liegt freilich nicht nur an einer Anhänglichkeit der Queen an den langjährigen "Bischof der Königin". Sie liegt auch an der Besetzung des Diözesanadministrators.

Denn die Geschäfte des Bistums London soll in der Interimszeit der Bischof von Willesden leiten, Pete Broadbent. Der 64-jährige Linksausleger ist keineswegs der Kandidat, zu dem die Queen ein Vertrauensverhältnis aufbauen könnte. Der liberale Bischof fiel wiederholt durch verbale Verächtlichkeiten gegenüber dem Königshaus auf. Thronfolger Prinz Charles bezeichnete er als "Großohr", Diana als "Porzellanpuppe" – und Prinz William und seine Braut Kate Middleton vor deren Hochzeit "schale Promis", denen wohl nicht mehr als sieben Jahre Ehe beschieden seien.

Generationenwechsel in der anglikanischen Führungsspitze

Mit dem altersbedingten Abgang von Bischof Chartres setzt nun ein Generationenwechsel in der anglikanischen Führungsspitze von England ein. "York", sprich die Nummer zwei der Hierarchie, Erzbischof John Sentamu, folgt im Juni 2019. Viele schielen bereits jetzt auf eine Hauptstadtbischöfin und Dekanin der königlichen Familie.

Wenn nicht jetzt, dann schlüge wohl 2019 die Stunde einer Spitzenbischöfin. Der Vorteil: So könnte die Kandidatin derzeit noch zwei bis drei Jahre Leitungserfahrung sammeln; denn immerhin gibt es in der Mutterkirche von England ja überhaupt erst seit zwei Jahren Bischöfinnen.

Für den Posten in London werden unter den Frauen derzeit die Bischöfin von Gloucester, Rachel Treweek (53), und die Kaplanin des britischen Unterhauses, Rose Hudson-Wilkin (56) gehandelt. Letztere, eine dunkelhäutige Jamaikanerin und Mutter von drei Kindern, hat ihr prominentes Amt bereits wiederholt genutzt, um rassistische Tendenzen in der Kirche von England anzuprangern.

 

Quelle:
KNA