DOMRADIO.DE: In Deutschland kann man oft gar nicht nachvollziehen, wie eng die Bindung der Briten zur königlichen Familie ist. Wie war bei Ihnen die Reaktion auf die Krebserkrankung von Charles?
Johannes Arens SMMS (Anglikanischer Priester in Leicester): Wie so häufig bei Meldungen zur königlichen Familie ist man irgendwie von seinen eigenen Gefühlen etwas überrascht. Ich bin nicht der große Monarchist, aber wie viele, die direkt Nachrichten geschrieben haben, war ich doch etwas schockiert. Er ist ja erst ein Jahr im Amt.
Hinzu kommt, dass diese Art Meldungen für uns in Großbritannien neu sind. Der Palast hält sich mit solchen privaten Details eigentlich ausgesprochen zurück. Dass überhaupt etwas gesagt wird, ist extrem ungewöhnlich und in der Form auch neu. Das hätte es bei seiner Mutter, denke ich, nicht gegeben. Es sei denn es wäre wirklich etwas Ernstes.
DOMRADIO.DE: Das heißt das ist weniger ein Anzeichen für eine dramatische Lage, sondern eine neue Kommunikationsstrategie der Krone?
Arens: Das denke ich, ja. Der Premierminister sprach auch davon, dass sich die Krankheit im Frühstadium befinde und behandelbar und heilbar sei. Was das jetzt genau heißt, weiß keiner. Bei seiner Mutter hat man bis zum Tod überhaupt nichts erfahren. Auch deshalb ist die Reaktion in der britischen Presse im Moment so überwältigend. Er ist nun mal erst ein Jahr im Amt. Seine Mutter hat das so lange ausgeübt, dass sich das für viele Briten gerade etwas merkwürdig anfühlt.
Aber man vergisst halt auch schnell, dass der Mann 75 Jahre alt ist. Normalerweise ist man da seit einiger Zeit in Rente und fängt kein neues Amt an. Es sei denn, man ist vielleicht Papst.
DOMRADIO.DE: Was bedeutet diese Erkrankung denn für die anglikanische Kirche, deren weltliches Oberhaupt der König auch ist? Gibt es da schon Reaktionen?
Arens: Bisher noch nicht, aber ich gehe davon aus, dass in den nächsten Tagen was kommen wird. Als Teil der Vesper, Evensong auf Englisch, haben wir immer ein Gebet für den König und seine Familie. In besonderen Situationen kann das ausformuliert werden. Ich vermute, das werden viele Gemeinden in den nächsten Tagen auch tun. Ein offizielles Statement gibt es allerdings noch nicht.
DOMRADIO.DE: Das hat für Sie und Ihre Gemeinde auch keine direkten Konsequenzen?
Arens: Ich werde ihn wahrscheinlich in den Fürbitten am Sonntag erwähnen. Darüber hinaus hat das aber keine Konsequenzen.
Es hat auch auf staatlicher Ebene erst mal keine Konsequenzen. Er verzichtet nur auf die sogenannten privaten Termine. Das sind öffentliche Termine, die aber keine Rolle für den Staat haben. Selbst wenn er wirklich schwer erkranken würde, gäbe es dafür ein Prozedere, um ihn zu vertreten.
DOMRADIO.DE: Ein gutes Jahr ist König Charles im Amt. Wie steht er denn zu seiner Kirche?
Arens: Das wird nicht besonders betont oder publik gemacht, aber der König geht jeden Sonntag in die Kirche. Das wird selten öffentlich sichtbar, das war bei der Königin aber genau so. Das wäre ein riesiger Sicherheitsaufwand gewesen, wenn das Staatsoberhaupt eine öffentliche Kirche besucht. Das ist auch ausgesprochen kostenintensiv.
Er feiert Gottesdienst in seiner sogenannten Privatkapelle. Da ist er nicht alleine, da nehmen andere mit Teil. Aber das ist ein fester Bestandteil seines Terminkalenders.
Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.