KNA: Herr Sternberg, hat das abrupte Ende der Synodalversammlung das kirchliche Reformprojekt beschädigt?
Thomas Sternberg (Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Nein, das glaube ich nicht. Das Problem kenne ich aus sehr vielen Sitzungen. Wenn die zweieinhalb Tage laufen und noch in den Samstagnachmittag hinein dauern, ist es nicht ganz unüblich, dass die Teilnehmerzahl gegen Ende abbröckelt. Das Problem war, dass wir Abstimmungen durchführen wollten. Das ging aber nicht mehr, weil weniger als zwei Drittel der Synodalen anwesend waren. Dadurch konnte die Versammlung keine Beschlüsse mehr fassen.
KNA: Das klingt abgeklärt. Aber Sie und Bischof Georg Bätzing als Synodalpräsidenten reagierten zunächst enttäuscht und verärgert.
Sternberg: Wir haben 13 von 16 Texten beraten - mehr, als ich erwartet habe. Das sind ziemlich professionelle Leute, die beim Synodalen Weg zusammenkommen. Die kennen sich mit parlamentarischen Abstimmungsverfahren aus, halten sich an Redezeiten und wissen, wie man konzentriert eine Tagesordnung abarbeitet.
KNA: Auch diesmal gab es Kritik, wonach eine konservative Minderheit von einer progressiven Fraktion in die Ecke gedrängt wird. Was sagen Sie dazu?
Sternberg: Ich habe keine Bildung von Fraktionen wahrgenommen. Es gibt auch nicht "die" Bischöfe und "die" Laien. Die Synodalversammlung besteht aus 230 Menschen, die ein Ziel verbindet: den Betroffenen von Missbrauch gerecht zu werden und Vertrauen für die Kirche zurückzugewinnen. Damit uns Menschen wieder ernst nehmen und nicht sagen: "Was ist das denn für ein mieser Verein?"
KNA: Wo sehen Sie den größten Erfolg der zweiten Synodalversammlung?
Sternberg: Dass der Text zu Macht und Gewaltenteilung die grundsätzliche Zustimmung von 83 Prozent gefunden hat, ist für mich sensationell. Schließlich handelt es sich um ein Papier, von dem Kurienkardinal Walter Kasper sinngemäß sagt: "Da wird eine andere Kirche konstruiert." Ob das stimmt, sei dahingestellt. Zweifellos steht der Text für einen synodalen Aufbruch in der Kirche.
KNA: Haben Sie nicht trotzdem Angst, dass das Reformprojekt bei der Versammlung im Februar scheitert, wenn erstmals verbindliche Beschlüsse gefasst werden sollen, die dazu noch unter Vorbehalt aus Rom stehen könnten?
Sternberg: Die Gefahr des Scheiterns ist immer da. Aber Angst ist ein schlechter Ratgeber. Wenn ich immer von einem negativen Ende ausgehe, kann ich kaum etwas verändern. Ich bin ein hoffnungsvoller Optimist.
Man muss die Sache beherzt angehen - und kann sich dann - so wie jetzt - darüber freuen, dass Texte zu Demokratie und Kirche auch die Mehrheit der Bischöfe hinter sich haben.
KNA: Sehen Sie das Problem, dass Sie den Synodalen Weg den katholischen Nachbarn in der Schweiz oder Polen erklären können, aber nicht in Rom?
Sternberg: Rom steht für die Einheit der Weltkirche. Die Rede vom deutschen Sonderweg hat sich längst als Unfug erwiesen, wie die internationale Resonanz beweist und wie es ähnliche Vorhaben in anderen Ländern zeigen. Wenn das in dieser Weite diskutiert wird, lässt das Rom nicht unberührt - auch wenn es an vielen Stellen im Vatikan weiter Misstrauen geben wird. Aber damit kann man leben, wenn man bereit ist, sehr dicke Bretter zu bohren.
KNA: Sie haben zum letzten Mal eine Synodalversammlung geleitet und sich mit Tränen in den Augen verabschiedet. Mit welchen Gefühlen reisen Sie ab?
Sternberg: Dass ich öffentlich die Fassung verliere, passiert wirklich selten. Aber mir liegt so viel am Synodalen Weg. Das ist für mich Kirche: dass man mit unterschiedlichen Positionen zusammenkommt und doch etwas Gemeinsames hat, was alle trägt. Wir können miteinander debattieren, aber auch zusammen beten und Gottesdienst feiern. Das ist ein sehr schönes Erlebnis und unterscheidet den Synodalen Weg von politischen Prozessen.
KNA: Empfinden Sie persönlich auch ein bisschen Wehmut?
Sternberg: Ja.