Mehrere Antisemitismus-Experten blicken zum Jahrestag des Hamas-Terrorangriffs auf Israel sorgenvoll auf die
Entwicklung in Deutschland. Nach Ansicht des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung wird das Problem des
Islamismus hierzulande zunehmend verharmlost.
Seit dem Hamas-Angriff vor einem Jahr seien hier "die Schleusen gebrochen", sagte Felix Klein der "Rheinischen Post" (Montag): "Der deutsche Diskurs hat sich radikalisiert und verhärtet, gerade auch im universitären Milieu. Das sieht man etwa daran, dass rote Hamas-Dreiecke, die Zielmarkierungen
sind, auf Gebäude gesprüht werden."
Außerdem, so Klein weiter, würden Institute besetzt und Menschen angegriffen, die mit dem Nahostkonflikt überhaupt nichts zu tun hätten - "wie etwa jüdische Deutsche oder der Berliner Kultursenator Joe Chialo. Beteiligt daran sind nicht nur Islamisten, sondern auch linke Gruppen, selbst queere Menschen, die die islamistische Gefahr verharmlosen und Israel ausschließlich als Täter sehen." Das habe es vor dem 7. Oktober 2023 nicht gegeben.
Klein fügte mit Blick auf den jüngsten Raketenangriff aus dem Iran hinzu, es sei "schrecklich zu sehen, dass islamistische, aber auch
migrantische Gruppen offen ihre Zustimmung gezeigt haben, etwa mit Jubelgesängen. Das zeigt, dass wir es offenbar mit
Parallelgesellschaften zu tun haben."
Kritik auch von Leutheusser-Schnarrenberger
Ähnlich äußerte sich die NRW-Antisemitismusbeauftragte und frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). "Mich besorgen die Unversöhnlichkeit und der tiefe Hass auf Jüdinnen und Juden sowie der ausgeprägte israelbezogene Antisemitismus, der bei jungen Menschen auf immer größere Zustimmung stößt", sagte sie der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Montag). Seit dem 7. Oktober 2023 sei die Lebensrealität von Juden weltweit, auch in Deutschland,
von Unsicherheit und Angst geprägt. "Schon kurz nach dem Terrorangriff fand eine ungeheuerliche Täter-Opfer Umkehr statt, welche auch die Jüdinnen und Juden hier bei uns direkt zu spüren bekommen haben", so Leutheusser-Schnarrenberger. Dass nun der iranische Raketenangriff auf Israel vergangene Woche auf deutschen Straßen gefeiert und das Existenzrechts Israels in Frage gestellt werde, sei unerträglich, betonte sie.
Die Jüdische Studierendenunion Deutschlands fordert unterdessen ein entschlosseneres Vorgehen im Kampf gegen Judenfeindlichkeit an Hochschulen. "Wir erleben offen ausgesprochenen Hass, Antisemitismus und die Verherrlichung von Terrorgruppen", sagte Präsidentin Hanna Veiler den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Seit dem 7. Oktober 2023 hat der Antisemitismus in Deutschland stark zugenommen. So lag die Zahl antisemitisch motivierter Straftaten im vergangenen Jahr laut Bundeskriminalamt auf einem Höchststand mit 5.164 Delikten inklusive 148 Gewalttaten. Der massive Anstieg sei vor allem auf den Anstieg nach dem 7. Oktober zurückzuführen, heißt es.
Zum Vergleich: 2022 waren es 2.641 Delikte, davon 88 Gewalttaten. Hinzu kommen zahlreiche weitere antisemitische Vorfälle, die keine Straftat darstellen.