Anwalt Akhanlis kritisiert türkisches Vorgehen

"Kritische Stimmen mundtot machen"

Im Fall des in Spanien festgenommen Schriftstellers Dogan Akhanli erhebt sein Anwalt, Ilias Uyar, Vorwürfe gegen die Türkei. Die Regierung in Ankara wolle kritische Intellektuelle wie Akhanli mundtot machen, so Uyar gegenüber domradio.de.

Dogan Akhanli / © Jörn Neumann (epd)
Dogan Akhanli / © Jörn Neumann ( epd )

domradio.de: Ihr Mandant, der türkischstämmige Schriftsteller mit deutscher Staatsbürgerschaft, Dogan Akhanli, war am Samstag während seines Urlaubs im spanischen Granada festgenommen worden. Grundlage war ein Interpol-Gesuch der Türkei. Am Sonntag kam Akhanli wieder frei. Er darf aber Spanien nicht verlassen und muss sich ein Mal pro Woche in Madrid beim Gericht melden. Wie tief sitzt denn trotz der Freilassung noch der Schreck?

Ilias Uyar (Anwalt Akhanlis und Mitglied der armenischen Gemeinde Köln): Der Schreck sitzt natürlich sehr tief. Meinem Mandanten geht es aber den Umständen entsprechend gut. Er war gestern ziemlich erschöpft. Heute ist er aber schon weniger niedergeschlagen und frohen Mutes. Er muss erst einmal überwinden, dass er in Spanien durch die Polizei festgenommen wurde. Diese Verarbeitung wird sicherlich noch ein bisschen Zeit brauchen.

domradio.de: Hintergrund ist der Vorwurf, dass Ihr Mandant im Jahr 1989 in Istanbul an einem Raubmord beteiligt gewesen sein soll. Was sagen Sie dazu?

Uyar: Das ist ein Verfahren, dass wir bereits im Jahr 2010 in der Türkei geführt haben. Das Gericht musste meinen Mandanten freisprechen, weil die Anklage in sich zusammengefallen ist. Die beiden Söhne des Opfers haben vor Gericht ausgesagt, dass Dogan Akhanli nicht der Täter sei und er wurde auch in dem Zusammenhang nicht von ihnen erkannt. Auch die Organisation, die er geleitet haben soll, war den türkischen Sicherheitsapparaten nicht bekannt, sodass mein Mandant freigesprochen werden musste. Das ist auch geschehen.

Aber die Staatsanwaltschaft, die weisungsgebunden ist, hat Revision eingelegt. Das Verfahren ist nicht rechtskräftig und daraus resultiert, dass mein Mandant sieben Jahre nach diesem Freispruch in Spanien festgenommen werden konnte.

domradio.de: Was glauben Sie, steckt dahinter? Was ist der eigentliche Grund für die Verhaftung und das Auslieferungsgesuch der Türkei?

Uyar: Ich glaube es ist derselbe Grund, der auch dazu geführt hat, dass mein Mandant bei der Einreise in die Türkei im Jahr 2010 verhaftet worden ist und im Anschluss für vier Monate in Untersuchungshaft gekommen ist. Er ist ein Intellektueller, der sich kritisch mit der Türkei und der Vergangenheitsbewältigung des Landes auseinandergesetzt hat. Er ist ein Brückenbauer und engagiert sich sehr in der Minderheitenfrage. Zum Genozid an den Armeniern hat er mehrere Werke verfasst und sich auch in der Kurdenfrage geäußert. Das sind Stimmen, die die Türkei mundtot machen möchte. Das ist der von mir vermutete Aspekt, warum die Türkei gegen ihn weiterhin vorgeht.

domradio.de: Es ist in jedem Fall auch eine weitere Provokation des türkischen Präsidenten in Richtung Bundesregierung. Finden Sie, dass die deutsche Politik in den vergangenen Tagen entschieden genug auf Erdogan reagiert hat? Oder ist es vielleicht nicht der richtige Weg, ihn in seine Schranken zu verweisen, weil das zu noch massiveren Gegenschlägen führt?

Uyar: Ich denke, die deutsche Regierungshaltung hätte eigentlich von Anfang an bestimmter sein müssen. Man hat sich zu sehr auf der Nase herumtanzen lassen. Das ist fatal. Die Konsequenz ist, dass mehrere deutsche Staatsbürger in der Türkei im Gefängnis sitzen. Der bekannteste Fall ist vielleicht Deniz Yücel. Aber es gibt auch Staatsbürger mit ausschließlich deutscher Staatsbürgerschaft, die - so möchte ich es bezeichnen - in der Türkei in Geiselhaft sitzen. Der lange Arm der Türkei scheint sich nun auch in die Europäische Union auszustrecken, sodass deutsche Staatsbürger in ihrem Spanienurlaub festgenommen werden können.

domradio.de: Dogan Akhanli darf Spanien nicht verlassen. Was ist denn der momentane Stand der Dinge? Können Sie absehen, wann und ob er nach Deutschland zurückreisen darf?

Uyar: Man kann derzeit nicht sagen, wann das sein wird. Wir haben heute unsere Pflicht erfüllt und uns bei Gericht gemeldet. Er darf Spanien nicht verlassen. Wir werden uns dem Verfahren stellen, weil wir wissen, dass die Behauptungen seitens der Türkei hanebüchen sind. Wir warten ab, dass das Auslieferungsgesuch der Türkei begründet wird und an die spanische Justiz zugestellt wird. Dann werden wir uns in einem förmlichen Verfahren dazu äußern und die Verteidigung weiter fortsetzen.

Das Interview führte Ina Rottscheidt.


Quelle:
DR