Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin hat die Bevölkerung mit einer Studie aufgeschreckt. Die Forscher kamen zu dem Ergebnis: Rund die Hälfte der heute 55- bis 64-jährigen Erwerbstätigen wird als Rentner ihren aktuellen Lebensstandard nicht halten können.
Und dabei haben die Forscher um den DIW-Rentenexperten Markus Grabka noch nicht einmal pessimistische Annahmen über das Ende eines Berufslebens getroffen: Sie gingen bei ihren Berechnungen davon aus, dass die Arbeitnehmer bis zum derzeit durchschnittlichen Rentenzugangsalter von 64 Jahren arbeiten - und ihre letzte berufliche Position beibehalten.
Im Alter wird das Geld knapp
Das Studienergebnis dürfte den Erwartungen der meisten Menschen entsprechen: Im Alter wird das Geld knapp werden - außer für Beamtinnen und Beamte, die gut dotierte Pensionen beziehen. Bekanntermaßen sinkt seit etwa zwei Jahrzehnten das Rentenniveau, das das Verhältnis der Rentenbezüge zu den Löhnen wiedergibt.
Doch wie schmerzhaft fällt der von den Wirtschaftswissenschaftlern festgestellte Verlust des Lebensstandards tatsächlich aus?
DIW-Forscher Grabka sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass "die Hälfte der Menschen, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen, ihren gewohnten Konsum nicht decken kann". Dafür reicht die Rente laut Grabka nicht. Wer als Neurentner seinen Konsum nicht einschränkt, müsste nach seinen Berechnungen pro Monat Schulden in Höhe von 540 bis 740 Euro machen.
Drei Vermeidungswege
Es gibt drei Wege, das zu vermeiden: Weniger konsumieren, Ersparnisse veräußern oder als Rentner etwas hinzuverdienen.
Tatsächlich zeigen Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe des Statistischen Bundesamtes, dass der private Konsum beim Übergang in den Ruhestand durchschnittlich um 17 Prozent reduziert wird. Das liegt vor allem daran, dass das Pendeln zum Arbeitsplatz entfällt.
Allerdings treten mit zunehmendem Alter in der Regel auch steigende Krankheits- und Pflegekosten auf.
Immer mehr Rentner gehen arbeiten
Die Zahl der Menschen, die zur Aufbesserung ihrer Rente arbeiten geht, hat zugenommen: "In den letzten Jahren ist die Erwerbstätigkeit von Älteren deutlich gestiegen", heißt es in einer Studie des Forschungsinstituts der Bundesanstalt für Arbeit (BA) vom August dieses Jahres. "Der Aufschwung am Arbeitsmarkt kommt auch bei den Älteren an", sagte Grabka dem epd. Allerdings stellen laut Grabka die allermeisten ihre Erwerbstätigkeit mit dem Erreichen des 70. Lebensjahres endgültig ein.
Ziel staatlicher Rentenpolitik ist es nie gewesen, dass die Rente in 100-prozentiger Höhe den Lohn ersetzt. In den 80er Jahren wurde von den großen politischen Parteien eine Netto-Rente von 70 bis 90 Prozent des letzten Netto-Arbeitseinkommens als angemessen bewertet, sofern die Rentner lange Erwerbsbiografien in Vollzeitjobs vorweisen konnten.
Davon sind die aktuellen Neurentner allerdings weit entfernt. Grund dafür sind die Rentenreformen zu Beginn des Jahrtausends. Sie wirken noch heute. Seither ist das Nettorentenniveau vor Steuern die zentrale Maßzahl. Dieses lag im Jahr 2017 bei 48,3 Prozent, in den 80er Jahren lag es noch über 56 Prozent.
Lücke hat sich immer weiter geöffnet
"Rentnerinnen und Rentner, die heute in Rente gehen, haben damit einen größeren Bruch zu verkraften als frühere Rentnergenerationen, wenn sie keine weiteren Einkommensquellen haben", erklärt Florian Blank, Rentenexperte der Hans-Böckler-Stiftung in Düsseldorf.
Allerdings betreffe "die politisch gewollte Niveauabsenkung" auch diejenigen, die schon länger in Rente sind: "Die Lücke hat sich Schritt für Schritt immer weiter geöffnet", sagte Blank dem epd.
Der Sozialverband VdK fordert deshalb, "das Rentenniveau mittelfristig wieder auf 50 Prozent zu erhöhen. Außerdem müssten die Rahmenbedingungen für die betriebliche und private Altersvorsorge verbessert werden. "Sie sind zur Lebensstandardsicherung eine sinnvolle und notwendige Ergänzung", sagt VdK-Präsidentin Verena Bentele.