Archäobotaniker klären Rätsel um antike Wüstenweinindustrie

Als man im Negev einen guten Gaza-Wein anbaute

Weinanbau in der Wüste Negev? Nach neuesten Erkenntnissen war dies vor 1.500 Jahren Realität. Möglich wurde es den Forschern zufolge durch ein raffiniertes Bewässerungssystem aus Kanälen, Terrassen und Staubecken.

Autor/in:
Johannes Schidelko
Trauben in einem Weinberg / © Daniel Karmann (dpa)
Trauben in einem Weinberg / © Daniel Karmann ( dpa )

Die Wüstenlandschaft des Negev weckt wenig Assoziationen mit einem Weinanbaugebiet, und den von der islamistischen Hamas regierten Gazastreifen stellt man sich heute schwer als Exportzentrum für alkoholische Getränke vor. Aber genau das galt vor 1.500 Jahren, als in byzantinischen Städten des Negev für rund 200 Jahre eine boomende Industrie entstand, die Trauben anbaute und als beliebten Wein - Vinum Gazetum - aus Gaza nach ganz Europa exportierte. Israelische Archäologen haben jetzt eine Studie über den rasanten Anstieg und plötzlichen Einbruch eines florierenden kommerziellen Weinbaus in der US-Wissenschaftszeitschrift "PNAS" (Proceedings of the National Academy of Sciences) vorgelegt.

Schon seit langem haben Archäologen raffinierte antike Bewässerungssysteme in der ariden Negev-Region nachgewiesen. Mit einem komplexen System von Kanälen, Terrassen und Staubecken wurden die seltenen, aber kräftigen Sturzfluten gesammelt und gespeichert. Ab dem vierten Jahrhundert ermöglichten sie eine rege Landwirtschaft: Getreide, Obst, Wein wurden angebaut. Damals entstanden blühende christliche Städte wie Shivta oder Elusa mit bis zu 15.000 Einwohnern, deren Ruinen heute - neben atemberaubenden Landschaften - zu den touristischen Highlights der Region zählen. Das alte Bewässerungssystem, bis hin zum Auffangen von Tau, haben auch Israels Staatsgründer um David Ben-Gurion wieder genutzt, um die Wüste des Negev in fruchtbares Land umzuwandeln.

Traubenkerne und Getreidekörner wurden analysiert

Für das bio-archäologische Forschungsprogramm "Krise am Rande des Byzantinischen Reiches" unter Leitung von Professor Guy Bar-Oz von der Universität Haifa spielte die Untersuchung von Müllgruben eine besondere Rolle. Müll in Form von Pflanzenresten, Tierüberresten und Keramikscherben gebe reichlich Aufschluss über die Lebensumstände von Menschen, sagte Bar-Oz der "Jerusalem Post".

Insbesondere analysierten die Archäologen und Botaniker den Anteil von Traubenkernen und Getreidekörnern. Zwischen dem 4. und 6. Jahrhundert habe der Anteil der Traubenkerne signifikant zugenommen - ein Beleg für einen kommerziellen Weinbau, der danach aber plötzlich wieder einbrach. Zudem habe man für diese Periode vor allem Keramik von Krügen und Gefäßen mit länglicher, dünner Form gefunden, wie sie für den Transport auf Kamelen - eben nach Gaza - geeignet waren. Aus späterer Zeit gab es vorrangig größere und sperrigere Flüssigkeitsbehälter.

Wie der Weinbau niederging

Den jähen Niedergang des kommerziellen Weinbaus ab Mitte des 6. Jahrhunderts führen die Archäologen auf eine Pandemie wie auf einen vulkanischen Winter zurück. Ab dem Jahr 541 wurde das Byzantinische Reich von einer Pestseuche heimgesucht, nach dem damaligen Kaiser "Justinianische Pest" benannt.

Sie gilt als schwerste Seuche der Antike und soll die Hälfte der Reichsbevölkerung, nach jüngeren Daten zwischen 20 und 30 Prozent dahingerafft haben. Es sei wahrscheinlich, dass auch die Negev-Bevölkerung erfasst wurde - mit negativen Konsequenzen auch für die Wirtschaft. 

EInfluss des Islam

Der Luxuswein aus Gaza wurde weniger begehrt. Zudem führten zwei Vulkanausbrüche um 535-536 und 539 zur "spätenantiken kleinen Eiszeit", die das kälteste Jahrzehnt der vergangenen 2.000 Jahre auf der Nordhalbkugel auslöste. Außerdem könnten politische Spannungen nach dem Tod Justinians 565 die Krise verschärft haben, führten die Forscher an.

Das mysteriöse Verschwinden des Weinbaus steht nach Ansicht der Wissenschaftler also nicht mit der Ankunft der islamischen Eroberer und ihrem Alkohol-Verbot in Verbindung. Denn der wirtschaftliche Einbruch im Negev erfolgte bereits 100 Jahre früher. Zudem wurde auch danach noch Gaza-Wein exportiert, allerdings vermutlich vom Anbau in der unmittelbaren Region. Der Wein aus dem Negev war durch den langen Transportweg inzwischen zu teuer.


Quelle:
KNA