In Asien ist Religion mehr als Religion

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Als Geburtsort der Weltreligionen ist Asien religiös vielfältig geprägt. Eine Umfrage zeigt: Zum einen fallen politische Botschaften von Intoleranz auf fruchtbaren Boden. Andererseits sind Menschen toleranter, als die Politik erlaubt.

Autor/in:
Michael Lenz
Jugendliche mit der Fahne von Südkorea beim Weltjugendtag / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Jugendliche mit der Fahne von Südkorea beim Weltjugendtag / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Die meisten Menschen in den süd- und südostasiatischen Ländern betrachten religiöse Minderheitengruppen als vereinbar mit Kultur und Werten ihrer Nationen. Alle großen Religionsgruppen äußerten "eine allgemeine Akzeptanz der religiösen Vielfalt", heißt es in einer am 12. September vom Pew Research Center veröffentlichten Umfrage unter gut 13.000 Menschen in Sri Lanka, Thailand, Kambodscha, Malaysia, Indonesien und Singapur.

Gläubige in Singapur / © Lawrence Wee (shutterstock)

Nicht in dem Report enthalten sind die überwiegend buddhistisch geprägten Länder Myanmar und Laos. Sowohl politische Realitäten wie auch Sicherheitsbedenken hätten keine unabhängige Umfrage zu sensiblen Themen zugelassen, hieß es in dem Report.

Wunsch nach Religion in Politik und Justiz

Die Umfrage macht aber auch deutlich, dass für die Menschen in den sechs Ländern Religion mehr: Religiöse Identität sei für die meisten Menschen gleichbedeutend mit Kultur, Familientradition und ethnischer Zugehörigkeit, sagte Pew-Experte Jonathan Evans. Viele Menschen verbänden zudem eine bestimmte Religion stark mit der nationalen Identität. "Aber selbst damit drücken die Menschen ein allgemeines Gefühl religiöser Toleranz aus."

Die Gleichsetzung von Religionszugehörigkeit mit national-ethnischer Identität drückt sich demnach auch in dem Wunsch aus, Religion solle in Politik und Justiz eine Rolle spielen. So befürworteten die meisten Buddhisten in buddhistischen Ländern, nationale Gesetze auf den buddhistischen Dharma zu stützen, den Lehren und Praktiken Buddhas. Dieser Ansicht sind die kambodschanischen Buddhisten fast einhellig (96 Prozent); in Sri Lanka sahen das 80 Prozent so.

Religion als Stifterin nationaler Identität

Auch in mehrheitlich muslimischen Ländern wie Malaysia und Indonesien spielt Religion eine bedeutsame Rolle als Stifterin nationaler Identität. Für drei Viertel der malaysischen Muslime ist der Islam "eine ethnische Zugehörigkeit, in die man hineingeboren wird". Eine Mehrheit der Muslime befürwortet zudem in beiden Ländern - 86 Prozent in Malaysia, 64 Prozent in Indonesien - eine Einführung der Scharia als offizielles Rechtssystems des Landes.

Die Umfrage umfasste auch Singapur, eine der religiös vielfältigsten Gesellschaften der Welt. 56 Prozent der Singapurer finden, dass ihr Land ein besserer Ort zum Leben sei, weil Menschen verschiedener Religionen, ethnischer Gruppen und Kulturen zusammenlebten. Fast neun von zehn Erwachsenen sagen, Christentum, Islam, Hinduismus und traditionelle chinesische Religionen seien mit Kultur und Werten Singapurs vereinbar.

Ein Priester auf Sri Lanka verteilt Lebensmittel (KiN)
Ein Priester auf Sri Lanka verteilt Lebensmittel / ( KiN )

Aber auch in den anderen fünf Ländern akzeptierte die Mehrheit Gläubige religiöser Minderheiten; auch äußerte sie keine negative Einstellung gegenüber religiöser Vielfalt. In Sri Lanka etwa gaben 68 Prozent der Befragten an, dass Christentum und Hinduismus mit der Kultur und den Werten Sri Lankas vereinbar seien, obwohl Buddhisten 70 Prozent der 22 Millionen Einwohner ausmachen. Im mehrheitlich muslimischen Malaysia gaben 67 Prozent an, ihrer Meinung nach sei der Buddhismus mit nationaler Kultur und Werten vereinbar.

Christentum vereinbar mit nationaler Kultur

Die Menschen in allen sechs Nationen empfanden auch das Christentum als mit ihrer nationalen Kultur vereinbar. Das sahen 89 Prozent der Befragten in Singapur so, aber auch 60 bzw. 65 Prozent in den mehrheitlich islamischen Ländern Indonesien und Malaysia. Im buddhistisch geprägten Thailand sind es gar 73 Prozent, in Kambodscha allerdings nur 44 Prozent.

Bischof Joseph Prathan Sridarunsil mit Konfirmandinnen in Hua Hin, Thailand / © pon piriya (shutterstock)
Bischof Joseph Prathan Sridarunsil mit Konfirmandinnen in Hua Hin, Thailand / © pon piriya ( shutterstock )

Religiöse Bevölkerungsgruppen in Südostasien zeigen zudem Anzeichen gemeinsamer religiöser Überzeugungen und Praktiken über religiöse Grenzen hinweg. Beträchtliche Mehrheiten der Befragten in den sechs Ländern fühlten sich dem hinduistisch-buddhistischen Konzept des "Karma" verbunden, auch wenn der Glaube daran kein Element ihrer eigenen Religion war.

Viele Menschen verehren zudem "Gottheiten oder Religionsgründer", die nicht Teil ihrer Religion sind. Der Erhebung zufolge beten etwa in Sri Lanka Hindus (66 Prozent) und Muslime (62 Prozent) auch zu Jesus Christus, während Christen (48 Prozent) den populären Hindu-Gott Ganesha verehren.

Religionswechsel wird oft nicht toleriert

Beim Religionswechsel allerdings ist Schluss mit Toleranz: Für die Mehrheit der befragten Menschen aller Religionen ist ein Übertritt zu einer anderen Religion inakzeptabel. In Singapur bekannten sich immerhin 35 Prozent dazu, im Laufe ihres Lebens die Religionszugehörigkeit gewechselt zu haben.

Die Umfrage des Pew Center machte allerdings keine Aussagen über die Hintergründe ihrer Erkenntnisse. So ist die relativ geringe Akzeptanz des Christentums in Kambodscha wohl darauf zurückzuführen, dass hauptsächlich die verhasste ethnische Minderheit der Vietnamesen Christen sind.

In den mehrheitlich islamischen Ländern heizen politische Parteien und islamische Organisationen immer wieder Konflikte an, indem sie eine Gleichsetzung von Religion und Ethnie ausnutzen. Vor allem in Malaysia spalten nationalistisch-malaiische Parteien die Gesellschaft. In deren Propaganda durch Vertreter der Malaien, der zu 100 Prozent muslimischen Mehrheitsethnie, werden Christen und Chinesen als "Feinde" des Islam und damit der Malaien verunglimpft.

Quelle:
KNA