Auch im Vatikan existiert ein bisschen Cannes

"Ein wahnsinniges Gekreische"

In Cannes sind gestern die 77. Filmfestspiele zu Ende gegangen. Kaum bekannt ist, dass sich auch im Vatikan Film-Glamour entdecken lässt. Welche Rolle das Kino für die Päpste spielte und spielt, weiß Vatikanexperte Ulrich Nersinger.

Kameramann im Vatikan  (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Die meisten der jetzt in Cannes gezeigten Filme kommen nach und nach in die Kinos bei uns. Da haben wir uns gefragt: Gibt es im Vatikan eigentlich ein Kino? 

Ulrich Nersinger / © privat
Ulrich Nersinger / © privat

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte und Autor): Das gibt es. Wir müssen zurückschauen auf die Gründung einer Institution, der sogenannten Filmoteca Vaticana. Sie ist 1959 von Papst Johannes XXIII. gegründet worden. 

Im Laufe dieser Gründung sind dann die ersten Schritte für die Einrichtung eines eigenen vatikanischen Kinosaals eingeleitet worden, der im Palazzo San Carlo anzutreffen ist. 

DOMRADIO.DE: Dieses Kino wird sich wahrscheinlich sehr verändert haben im Laufe der Zeit, oder? 

Ulrich Nersinger

"Es ist ein sehr kleines Kino mit circa 55 Sitzen."

Nersinger: Ja, 2005 gab es eine Sanierung. Das Gebäude wurde etwas modernisiert, aber es hat seinen Charakter behalten. Es ist ein sehr kleines Kino mit circa 55 Sitzen. 

DOMRADIO.DE: Welche Filme werden da gezeigt und wer darf rein? 

Nersinger: Wie schon gesagt, das Kino ist eigentlich ein Nebenprodukt der vatikanischen Filmothek. Der Vatikan hatte sich entschieden - erste Ansätze finden wir schon im Pontifikat von Pius XII. - Filme über den Vatikan und die Päpste zu sammeln. 

Papst Pius XII. (KNA)
Papst Pius XII. / ( KNA )

Auch Filme mit religiösen Inputs oder religiöser Prägung oder Filme, die moralisch-ethische Probleme berühren, werden für die Nachwelt erhalten. Das Kino sollte es den Päpsten ermöglichen, sich Filme in aller Ruhe anschauen zu können. 

DOMRADIO.DE: Ich stelle mir ein schnuckeliges kleines Kino mit rotem Plüsch und Popcorn vor. Wie sieht es wirklich aus? 

Ulrich Nersinger

"Es gibt relativ bequeme Sessel, das Ambiente ist sehr schön."

Nersinger: Ja, es gibt relativ bequeme Sessel - ich habe selber schon drin gesessen - und das Ambiente ist sehr schön. Es ist ein Raum, der künstlerisch gut gestaltet ist und dadurch, dass man nur wenige Sitzplätze hat, hat es auch eine gewisse Intimität. 

DOMRADIO.DE: Was für einen Film haben Sie da gesehen? 

Nersinger: Ja, das ist auch etwas fast Lustiges gewesen. Es wurde ein Film eines großen katholischen Fernsehsenders gezeigt – eine Dokumentation über einen heiligmäßigen Menschen, der im Krieg agierte. Dieser Film war mit sehr vielen Kriegsszenen versehen. Es war, sage ich mal, kein angenehmer Film, sondern eben eine Dokumentation über ein christliches Leben, eine Aufopferung für Menschen, die im Krieg an verschiedenen Gebrechen litten. 

Das Verrückte dabei war, dass man uns an den Sitzen Getränke und Chips hingelegt hatte. Das empfand ich doch etwas seltsam, sich solche Filme mit diesen Zugaben anzuschauen. 

DOMRADIO.DE: Waren die Päpste denn große Filmfans? Sticht da einer ganz besonders hervor? 

Nersinger: Also, die Päpste haben sich immer dafür interessiert. Das beginnt schon mit Leo XIII., der beretis 1896 erlaubte, dass filmische Aufnahmen von ihm gemacht wurden. Sehr engagiert hat sich Pius XII., der die Basis für die Sammlung von vatikanischen Filmen geschaffen hat. 

Ulrich Nersinger

"Es gab ein wahnsinniges Gekreische, sobald das Bild des Heiligen Vaters erschien."

Bild vom Heiligen Papst Johannes Paul II. (KNA)
Bild vom Heiligen Papst Johannes Paul II. / ( KNA )

Sehr interessiert war auch Johannes Paul II., der häufig Gast in diesem Kino war und sich die Filme in aller Ruhe angeschaut hat. Es gab dann auch größere Filme, die in der Audienzhalle präsentiert wurden. Da habe ich auch eine Szene erlebt, die an heutige Zeiten erinnert...

Es gab einen Film, der das Leben von Johannes Paul II. präsentierte. Man hatte sehr viele Ordensschwestern eingeladen und es entstand eine Atmosphäre, die mich von der Begeisterung her eher an ein Konzert erinnerte. Heute würde man sowas nur noch erwarten, wenn große Stars wie Taylor Swift auftauchen. 

So gab es ein wahnsinniges Gekreische der Ordensschwestern, sobald das Bild des Heiligen Vaters erschien, sodass manche sogar aus der Audienzhalle geflüchtet sind. 

DOMRADIO.DE: Wie ist es bei Papst Franziskus? Sieht man ihn im Vatikankino?  

Ulrich Nersinger

"Die Kirche in Italien war immer sehr am Film interessiert."

Nersinger: Ich wüsste nicht, dass er da großartig aufgetreten ist, doch es mag durchaus vorgekommen sein. Aber heute hat man die Möglichkeit zu streamen. Das kann man ja in der eigenen Wohnung, in der eigenen Residenz, tun. 

Alte Filmrollen und Filmklappen / © Jag_cz (shutterstock)
Alte Filmrollen und Filmklappen / © Jag_cz ( shutterstock )

Aber man kann sagen, die Kirche in Italien war immer sehr am Film interessiert. Ich kann mich gut erinnern, dass zu meiner Studienzeit in den 1980er Jahren viele Mitstudenten damals vor ihrer Priesterweihe vorweisen mussten, Filme vorführen zu können. 

Früher hat man in Italien, um auch ein bisschen die Kontrolle über die ausufernde Filmwelt zu behalten, viele Fach- und Diözesankinos ad hoc errichtet. Und da mussten Priester eben nachweisen, dass sie Filme vorführen konnten. 

Das Interview führte Carsten Döpp. 

Quelle:
DR