Auch katholische Kirche kritisiert Lewitscharoff-Rede

"Künstlich gezeugte Kinder nicht herabwürdigen"

Der Dresdner Bischof Heiner Koch hat die Äußerungen der Schriftstellerin Sibylle Lewitscharoff zu den im Labor gezeugten Kindern scharf kritisiert. Lewitscharoff selbst bedauert mittlerweile Teile ihrer Rede.

Bischof Heiner Koch (dpa)
Bischof Heiner Koch / ( dpa )

Die katholische Kirche stehe der künstlichen Befruchtung aus mehreren Gründen sehr kritisch gegenüber, betonte Koch am Donnerstagabend in Dresden. Es sei jedoch völlig inakzeptabel, solche Kinder herabzuwürdigen oder abzuqualifizieren. "Zutiefst abzulehnen und zu verurteilen ist es, wenn einem Kind die volle Achtung seiner von allem Anfang an unverlierbaren und unantastbaren Würde als Mensch und Person verweigert wird", so der Bischof des Bistums Dresden-Meißen. "Alle Kinder verdienen Liebe und Zuneigung, denn jedes Kind ist ein Geschenk Gottes." Die Bedenken bezüglich der künstlichen Befruchtung gegen diese Kinder zu wenden, sei deshalb "ein höchst problematischer Irrweg".

Bei der Kritik der katholischen Kirche an der künstlichen Befruchtung sei der Grundgedanke leitend, dass Kinder aus der liebevollen Partnerschaft ihrer Mutter und ihres Vaters gezeugt, geboren und herangebildet werden sollten, erklärte Koch. Zwar verstehe die Kirche die Sehnsüchte und die Verzweiflung der Paare, die sich vergeblich ein Kind wünschen. Sie habe aber große Bedenken, wenn die Maschinerie der Fertilitätstechnologie in Gang gesetzt werde.

Lewitscharoff nimmt Satz über künstlich gezeugte Menschen zurück

Lewitscharoff bedauert mittlerweile ihre umstrittene Aussage über Menschen, die auf dem Weg künstlicher Befruchtung gezeugt wurden. "Ich möchte den Satz sehr gerne zurücknehmen", sagte Lewitscharoff am Freitag im "Morgenmagazin" des ZDF: "Es tut mir wirklich leid." Der Satz sei zu scharf ausgefallen. Zuvor noch hatte sie in einem Zeitungsinterview eine Rücknahme ihrer Aussage abgelehnt.

Die mehrfach preisgekrönte Schriftstellerin hatte am Sonntag bei den "Dresdner Reden 2014" auf Einladung des Staatsschauspiels und der "Sächsischen Zeitung" einen Vortrag mit dem Titel "Von der Machbarkeit. Die wissenschaftliche Bestimmung über Geburt und Tod" gehalten. Darin hatte sie unter anderem gesagt, das gegenwärtige "Fortpflanzungsgemurkse" erscheine ihr "derart widerwärtig", dass sie sogar geneigt sei, "Kinder, die auf solch abartigen Wegen entstanden sind, als Halbwesen anzusehen": "Nicht ganz echt sind sie in meinen Augen, sondern zweifelhafte Geschöpfe halb Mensch, halb künstliches Weißnichtwas."

Lewitscharoff fügte in der Rede hinzu: "Das ist gewiss ungerecht, weil es den Kindern etwas anlastet, wofür sie rein gar nichts können. Aber meine Abscheu ist in solchen Fällen stärker als die Vernunft."

In einem Interview für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte es Lewitscharoff noch abgelehnt, ihre "Halbwesen"-Äußerung zurückzunehmen. "Nein, ich will es nicht zurücknehmen. Ich will sagen, was Gedanken in prekären Fällen bedeuten können", sagte sie dem Blatt: "Das Handeln ist aber ein anderes. Natürlich würde ich niemals einem Kind, das auf solchen Wege entstanden ist und das mir sympathisch ist, meine Zuneigung verweigern." Im ZDF sagte sie, sie würde niemals ein "Kind oder Erwachsenen, der auf diese Weise zur Welt kam, als einen fragwürdigen Menschen bezeichnen. Niemals, auf gar keinen Fall."

In Zeitungsinterview hatte sich Lewitscharoff auf die Meinungsfreiheit berufen: "Darf ich in einer Rede nicht sagen, was ich denke?" Sie werde doch ihre Skepsis gegenüber Methoden der Reproduktionsmedizin formulieren dürfen.

Nach dem Auftritt Lewitscharoffs hatte sich der Dresdner Chefdramaturg Robert Koall in einem offenen Brief von der Autorin distanziert. Die Bezeichnung künstlich gezeugter Menschen als "Halbwesen" sei widerwärtig. "Man muss sehr viel Selbstbeherrschung aufbringen, um sich vom Sprachduktus nicht an Zeiten erinnert zu fühlen, in denen eine solche Wortwahl dazu diente, die Würde von Menschen antastbar zu machen", schrieb Koall.

Die in Stuttgart geborenen Lewitscharoff, die Religionswissenschaften studierte, lebt in Berlin. Die 59-Jährige wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem im vergangenen Jahr mit dem Georg-Büchner-Preis.


Bischof Heiner Koch im Portrait (dpa)
Bischof Heiner Koch im Portrait / ( dpa )
Quelle:
epd , KNA