Auch Verfassungsschützer über Ausbreitung von Scientology in Deutschland besorgt - vor allem unter Jugendlichen

"Totalitäre Strukturen"

Die Verfassungsschützer verfolgen besorgt die zunehmende Ausbreitung der Scientology-Organisation in Deutschland. Von den Verfassungsschützern wird Scientology als eine "profitorientierte Psychogruppe mit totalitären internen Strukturen und undemokratischen Zielen" angesehen. Bei den Mitgliedern werde mit "Gehirnwäsche gearbeitet". Am Wochenende hatte die umstrittene Organisation in Berlin ihre Hauptstadtrepräsentanz eröffnet.

 (DR)

Weltweit rund acht Millionen Mitglieder
Es gebe „sehr ernst zu nehmende Anhaltspunkte" dafür, dass Scientology „verfassungsfeindliche und gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Absichten" habe.

Die 1954 in den USA vom Science-Fiction-Autor Ron Hubbard (1911 - 1986) gegründete Organisation hat in den Vereinigten Staaten den Status einer Kirche. In Deutschland, wo es 1970 die erste SO-Niederlassung gab, haben sich die Scientologen vergeblich bemüht, als Religionsgemeinschaft anerkannt zu werden. Hubbard hatte in seinem Buch „Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" seine Vorstellungen dargelegt. Sein Credo: Eine neue scientologische Zivilisation mit einer Rechtsordnung, „in der die Existenz des Einzelnen vom Ermessen der SO abhängt".

Scientology hat weltweit rund acht Millionen Mitglieder, darunter etliche Prominente in Politik und Show-Business wie die Schauspieler John Travolta und Tom Cruise. Die Mitgliederzahl in Deutschland wird auf 6 000 geschätzt. Die Verfassungsschützer verweisen auf die „Verehrung" der Scientologen für Hubbard, den sie als „Universalgenie auf allen Wissensgebieten" loben. Sie würden seine „Methodik als Patentrezept für alle Lebensbereiche" preisen. Zum Beispiel seien besonders die Politik, die Wirtschaft, Lebenshilfen aller Art und die Pädagogik die Bereiche, in denen sich SO zu profilieren suche, erläuterten Verfassungsschutzexperten am Montag in Berlin.

„Anbiederung und starke Einflussnahme" auf die Jugend
Als „sehr gefährlich" werden vom Verfassungsschutz die „Anbiederung und starke Einflussnahme" auf die Jugend bezeichnet. So würden die Bemühungen Hubbards um „Lernhilfen" für Schüler gepriesen. Die Scientologen bemühen sich, „Lernhindernisse" bei jungen Menschen zu beseitigen. Sie haben über die Bundesrepublik ein Netz von über 30 Nachhilfeinstituten verbreitet. Der „Nachhilfemarkt" in Deutschland wird von Experten auf 2,5 Millionen Schüler geschätzt. Der Philologenverband und die Kultusminister haben nachdrücklich vor einer „Unterwanderung" der Jugend mit dem Ziel gewarnt, sie für Scientology zu gewinnen.

Die Verfassungsschützer machen darauf aufmerksam, „dass derjenige, der erst in die Fänge von Scientology geraten ist, da schwer oder überhaupt nicht mehr rauskommt". Die Organisation arbeite mit „erbarmungslosem Psychodruck und Schikane". Sie lasse sich nicht in die Karten schauen. Die hierarchisch strukturierte Gruppierung sei mit V-Leuten „nicht aufzubrechen oder zu beobachten".

Der Verfassungsschutz ist auch über die „Nähe von Scientology zur nationalsozialistischen Mentalität" besorgt. In dem Psycho-Buch von Hubbard gebe es „solche Anklänge". Seine Organisation verfügt nach Angaben von Experten über einen weltweit agierenden Geheimdienst „OSA" (Office of Special Affairs). Ziel sei es, Regierungen, Behörden und Unternehmen zu infiltrieren sowie Gegner und Aussteiger systematisch zu diffamieren und zu zermürben.