Anders als in Italien oder Spanien ist die Zahl der Organspender wegen Corona in Deutschland nicht massiv zurückgegangen. Insbesondere durch das Engagement in den Kliniken "konnten Organspende und Transplantation hierzulande ohne größere Einbrüche fortgeführt werden", teilte die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) am Dienstag in Frankfurt mit.
Allerdings: Ohne Auswirkungen bleibt die Pandemie doch nicht. Lagen die Spenderzahlen im Januar und Februar noch um fast 30 Prozent höher als im Vergleichszeitraum 2019, reduzierte sich dieses Plus auf 1,7 Prozent bis Ende September. "Ob sich die positive Entwicklung vom Jahresbeginn ohne die Covid-19-Pandemie langfristig auf diesem Niveau gehalten hätte, ist ungewiss", heißt es bei der DSO. Wie sich die Transplantationsmedizin weiter entwickelt, wollen Experten auf dem DSO-Jahreskongress von Dienstag bis Donnerstag der kommenden Woche diskutieren.
Wieso kommen weniger Menschen als Spender in Frage?
Dann soll auch eine Bilanz der jüngsten Gesetzesänderungen gezogen werden. Im April 2019 war ein Gesetz in Kraft getreten, das insbesondere die Bedingungen und Abläufe für die Organspende in den Kliniken verbessern soll. Dazu wurde die Stellung der Transplantationsbeauftragten gestärkt, den Kliniken eine bessere Vergütung von Transplantationen zugesagt und die Betreuung der Angehörigen verbessert. Im Januar lehnte der Bundestag - zum Bedauern der Transplantationsmediziner - eine Widerspruchslösung ab. Grundlage für eine Organentnahme bleibt weiterhin die ausdrückliche Zustimmung des Spenders zu Lebzeiten.
Mitte Oktober hatte auch die Deutsche Transplantationsgesellschaft (DTG), also die wissenschaftliche Fachgesellschaft, auf ihrer Jahrestagung eine Bilanz gezogen. Dabei wurde deutlich, dass der Mangel an Spenderorganen nicht allein an einer geringen Spendebereitschaft liegt. Auch verstärkte Unfallprävention und deutliche Fortschritte bei lebensrettenden Maßnahmen sorgen dafür, dass immer weniger Menschen als Organspender in Frage kommen. Die Zahl der Unfallopfer nimmt ab, und mit der zunehmenden Verbreitung von "Stroke Units" ist auch die Zahl derjenigen rückläufig, die an einem Schlaganfall sterben. Diese Entwicklung werde sich fortsetzen, so die Transplantationsmediziner.
Organspende nach dem Herztod
Es sei deshalb an der Zeit, eine Diskussion über eine Organspende nach einem Herztod anzustoßen, forderte der Präsident der Transplantationsgesellschaft, der Bonner Mediziner Christian Strassburg. Und rührte damit an ein Tabu, denn bislang ist das in Deutschland verboten.
Strassburg verwies auf andere europäische Länder: 2019 wurden in den Niederlanden 147, in Belgien 106 und in Österreich 17 Organe nach Herztod transplantiert. "Die Frage, wie lange wir es als Gesellschaft noch moralisch rechtfertigen können, dass jedes Jahr über 1.000 Menschen von der Warteliste genommen werden und sterben, weil wir nicht handeln, darf nicht länger ausgeklammert werden", so der DTG-Präsident.
Lebendspenden von Fremden in Deutschland verboten
Die Debatte über Organspende nach Herztod flammt immer wieder auf. Kritiker warnen dabei vor einem Vertrauensverlust in die Transplantationsmedizin, weil die Todesfeststellung noch problematischer ist als beim Hirntod: Während der Hirntod von Neurologen eindeutig festgestellt werden könne, werde der Herztod in der Medizin mittlerweile in vielen Fällen als "rückgängig machbar" angesehen - durch Wiederbelebungsmaßnahmen und Herzmassagen. Zudem erlöschen nach dem Herztod die Hirnfunktionen nicht sofort. Einen weiteren Weg, die Zahl der Spenden zu steigern, sieht die Transplantationsgesellschaft in einer Ausweitung der Lebendspenden.
Erlaubt ist in Deutschland bislang nur, dass Verwandte und Ehepartner sich Organe spenden. Lebendspenden von Fremden sind aber verboten, um den Organhandel zu unterbinden. Dagegen erlauben viele europäische Länder eine Cross-Over-Lebendspende - eine Organspende zwischen zwei Paaren über Kreuz. In einzelnen Bundesländern ist das unter Sonderbedingungen erlaubt. Auch der Ringtausch und die Pool-Spende mit mehreren Spender- und Empfängerpaaren sind in manchen Ländern möglich, aber in Deutschland komplett verboten.