Auf Kuba wurde ein neuer Präsident bestimmt

Hauch von Reformlüftchen

Anderthalb Jahre Probezeit hatte er. Nun wird der Übergangs-Staatschef Raúl Castro wohl definitiv die Macht in Kuba übernehmen. Am Sonntag kürte das Parlament den Nachfolger von Fidel Castro, der sich wegen seiner Krankheit aus allen Staatsämtern zurückgezogen hat. - Der Vatikan forderte im Vorfeld der Machtübernahme Respekt für die Kirche in Kuba.

 (DR)

Nichts liegt näher, als seinen 76-jährigen Bruder, offiziell Verteidigungsminister und seit anderthalb Jahre amtierender Regierungschef, zum Präsidenten des Staatsrates und damit der kommunistischen Insel zu bestimmen.

Seit Fidel Castros Erkrankung im Juli 2006 hat Raúl Castro bewiesen, was ihm viele nicht zugetraut hätten: Er hielt Staat, Partei und Armee in Kuba zusammen. Und dabei ist er seinem Stil treu geblieben.

Hauch von Reformlüftchen
Während Fidel stundenlange Reden liebte, scheut der farblose Raúl öffentliche Auftritte. Wenn er aber etwas sagt, lässt das aufhorchen. So etwa im Juli 2007, als der Armeegeneral unverblümt Schlendrian und Mangelwirtschaft in Kubas sozialistischer Planwirtschaft kritisierte.

Seither weht ein Hauch von Reformlüftchen durch Kuba. Missstände dürfen neuerdings kritisiert werden, zumindest von denen, die sich zugleich als überzeugte Sozialisten zu erkennen geben.

Aus Sicht der regierenden Kommunisten ist dem Pragmatiker Raúl Castro damit ein Meisterstück gelungen: Er dämpft den Missmut vieler Kubaner über die schlechte Versorgungslage, indem er sie auf baldige wirtschaftliche Besserung hoffen lässt. Zugleich macht er klar, dass das Machtmonopol der Partei nicht zur Debatte steht. Die Repression hat nur geringfügig nachgelassen, die Zahl der politischen Häftlinge ist kaum zurückgegangen.

Stiller und konstanter Organisator
Während Fidel impulsiv und bisweilen cholerisch regierte, präsentiert sich Rául als stiller und konstanter Organisator. Das hilft ihm auch, Kuba aus der außenpolitischen Isolation herauszuführen. Die Freundschaft Kubas zu Venezuelas Präsident und Fidel-Intimus Hugo Chávez hat bereits erkennbar an Intensität verloren.

Stattdessen pflegt Raúl Castro die Beziehungen zu China und den beiden wirtschaftlichen Großmächten Lateinamerikas, Brasilien und Mexiko. Gegenüber den USA hat er wiederholt Gesprächsbereitschaft signalisiert. Damit könnte Raúl Castro das gelingen, was sein großer Bruder nie vermochte - und wohl nie wirklich wollte: Das jahrzehntealte Handelsembargo Washingtons gegenüber Havanna zu beenden.

"Ergänzender Gegensatz" seines älteren Bruders
Schon in jungen Jahren hatte sich Raúl wie sein Bruder am Kampf gegen die Batista-Diktatur beteiligt. Er gehörte zum Kern der Revolutionäre in der Sierra Maestra, die an Neujahr 1959 siegreich in Havanna einzogen. Trotz seiner Unauffälligkeit war Raúl Castro stets die wichtigste Stütze Fidel Castros im Machtgefüge. Laut dem US-amerikanischen Kubaspezialisten und ehemaligen Geheimdienstagenten Brian Latell wirkte er stets als der "ergänzende Gegensatz" seines älteren Bruders.

Als Verteidigungsminister sicherte er in bedingungsloser Loyalität die Gefolgschaft der Armee und schreckte dabei auch vor drakonischen Maßnahmen nicht zurück. Es war Rául, der 1989 eine drastische Säuberung in Kubas Polit-Oligarchie ankündigte. Sie endete mit der Hinrichtung von vier langjährigen Weggefährten, darunter dem hochdekorierten General Arnaldo Ochoa. Auch die Versorgung Kubas mit lebensnotwendigen US-Dollars war schon immer Raúl Castros Domäne.

Über ein verzweigtes Netz von Holding-Gesellschaften und mit Hilfe hoher Offiziere soll er die Devisenwirtschaft Kubas kontrollieren, den Tourismus eingeschlossen. Sollte es Rául aber nicht gelingen, bald konkrete Verbesserungen für die Mehrheit der Bevölkerung zu erzielen, werde es eine "riesige Frustration" mit "unvorhersehbaren Folgen" geben, warnt der Ökonom und Dissident Oscar Espinosa in Havanna. Die neue Regierung dürfe die fälligen Reformen nicht auf die lange Bank schieben. /Matthias Knecht (epd)

Bertone fordert Respekt für Kirche auf Kuba
Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone hat auf Kuba Respekt für die dortige Kirche gefordert. "Die Kirche will sich niemandem aufdrängen, aber sie will in ihrem Missionsauftrag anerkannt und respektiert werden", sagte er am Donnerstagabend (Ortszeit) bei einem Gottesdienst auf dem Vorplatz der Kathedrale in Havanna. Vor der Messe hatte er unter anderem ein Priesterseminar besucht. Die Nummer zwei der Vatikan-Hierarchie ermunterte Seminaristen und Priester zu noch größerem Missionseifer. Mit Nachdruck forderte er die Katholiken des Landes auf, sich für den Lebensschutz, die Institution Familie sowie für Meinungs- und Religionsfreiheit einzusetzen.

An diesem Freitag (Ortszeit) wurde Bertone in Santa Clara erwartet, wo er am Samstag ein Denkmal zu Ehren von Johannes Paul II. (1978-2005) einweihen soll. In Erinnerung an dessen Besuch vor zehn Jahren hält sich Bertone derzeit auf Kuba auf. Zu Beginn seines knapp einwöchigen Pastoralbesuchs am Donnerstag übermittelte er der Bischofskonferenz eine Papstbotschaft.

Darin ruft Benedikt XVI. Kuba zu einer Rückbesinnung auf sein christliches Erbe auf. Die Werte des Evangeliums hätten großen Einfluss auf die Entstehung der Nation gehabt. 500 Jahre nach der Missionierung sei dieses Erbe noch immer in der kubanischen Seele verwurzelt. Auch heute könne die Kirche zur Verbesserung der Gesellschaft in Kuba beitragen.