Nach Angaben von Prozessbeobachtern wird dem heute 28-jährigen Hauptangeklagten vorgeworfen, zwischen 2007 und 2012 einen ein Jahr jüngeren Mitschüler mehrfach bedroht und zu sexuellen Handlungen gezwungen zu haben.
Beschuldigter war Tutor
Der Beschuldigte, der in dem Seminar für angehende Priester als Tutor tätig war, wie auch sein Opfer waren zu Beginn der fraglichen Zeit minderjährig. Dem früheren, heute 70-jährigen Rektor des Seminars wird vorgeworfen, den mutmaßlichen Täter geschützt, trotz der Vorwürfe dessen spätere Weihe zum Priester gefördert sowie Ermittlungen behindert zu haben.
Vorwürfe des Missbrauchs unter Seminaristen des "Preseminario San Pio X" im Vatikan hatte der italienische Autor Gianluigi Nuzzi 2017 öffentlich gemacht. Das TV-Magazin "Le Iene" griff den Fall auf. In einer Sendung im November 2017 hatte ein ehemaliger Ministrant berichtet, sein Zimmernachbar in dem Seminar sei vor seinen Augen mehrfach von einem Seminaristen sexuell missbraucht worden. Der Schuldige sei später zum Priester geweiht, er selber aber der Einrichtung verwiesen worden.
Prozess geht Ende Oktober
Kurz darauf hatte der Vatikan mitgeteilt, zu den Vorwürfen seien Ermittlungen wiederaufgenommen worden. Bereits 2013 habe es nach dem Eingang anonymer wie nicht anonymer Hinweise Untersuchungen zu dem Fall gegeben. Damals seien keine "entsprechenden Bestätigungen" gefunden worden. Der jetzt begonnene Prozess wurde nach Verlesung der Anklagepunkte auf den 27. Oktober vertagt.
Das "Preseminario San Pio X" ist ein 1956 gegründetes Konvikt mit Sitz im Vatikan, unweit des Gästehauses Santa Marta. Es nimmt Mittelschüler auf, die am Beruf des Priesters interessiert sind. Laut eigenen Angaben wurden mehr als 80 Schüler der Einrichtung später Priester oder Ordensleute. Die Schüler werden als Messdiener im Petersdom eingesetzt.