domradio.de: Wahrscheinlich ist viel los heute in Augsburg beim Hohen Friedensfest. Dort ist auch eine Friedenstafel aufgestellt. Was ist das?
Sandra Gast (Redakteurin beim diözesaneigenen DAB-Sender Radio Augsburg): Eigentlich sind es vielmehr Friedenstafeln. Das sind lange, schön geschmückte Tische, die sich über den ganzen Rathausplatz erstrecken. Da sitzen mehr als 1.000 Menschen jeden Alters und verschiedener Herkunft und Religion und veranstalten dort ein "Open-Air-Essen". Jeder bringt etwas mit und man teilt das Essen miteinander. Die Menschen kommen dabei ins Gespräch und bauen Hemmungen ab. Eine Teilnehmerin hat beispielsweise Hackbällchen extra nur aus Rindfleisch gemacht, damit auch Moslems oder jüdische Mitbürger davon kosten können. Ich habe auch ein junges Pärchen getroffen, wobei sie aus Augsburg und er aus Pakistan kommt. Die beiden haben sich tatsächlich im vergangenen Jahr beim Friedensfest in Augsburg kennengelernt. Das ist doch gelebter Frieden.
domradio.de: Das Motto in diesem Jahr lautet: "Bekennen. Mein Name ist Mensch". Manchmal hat man bei solchen "Straßenfesten" das Gefühl, die Leute konsumieren einfach schönes Wetter und Bier. Ist das in Augsburg auch so, oder wie transportiert man die Botschaft, dass Frieden wichtig ist?
Gast: Ich glaube, mit einem Straßenfest hat das hier nicht so viel zu tun. Ich würde es in jedem Fall nicht damit vergleichen wollen. Da sitzen ganz viele Menschen aus verschiedenen Kulturen an einem schön geschmückten Tisch und teilen miteinander. Man kann alternativ auch bei Stadtführungen zum Thema Luther und Frieden mitlaufen. Im Botanischen Garten gibt es zudem für die Kleinen ein Kinderfriedensfest oder auch verschiedene Vorträge. Aber das Wichtigste heute ist die Begegnung und das friedliche Zusammensein auf dem Rathausplatz.
domradio.de: Heute ist auch der Preis zum Augsburger Hohen Friedensfest vergeben worden - von der Stadt Augsburg gemeinsam mit der Evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern. Was ist das für ein Preis und wer hat ihn bekommen?
Gast: Der Friedenspreis 2017 geht an Generalsekretär Martin Junge. Er ist sozusagen der Chef des Lutherischen Weltbundes. Er hält über 140 evangelische Kirchen aus 98 Ländern dieser Welt zusammen. Er selbst ist in Chile während der Militärdiktatur aufgewachsen. Er hat also Gewalt, Hass und Menschenrechtsverletzungen miterlebt. Das hat ihn natürlich sehr geprägt. Deshalb lautet sein Motto auch: "Warum Dinge getrennt tun, wenn man sie auch gemeinsam tun kann?" Er setzt sich für Gleichberechtigung ein. Man könnte sagen, dies sei auch seine Aufgabe, aber in der Jurybegründung erklärte der evangelische Regionalbischof Michael Grabow, dass sein Engagement über seine beruflichen Pflichten hinausginge. Martin Junge hat sich auch dadurch ausgezeichnet, dass er das 500-jährige Reformationsgedenken in diesem Jahr weltweit konfessionsübergreifend auch mit Katholiken feiern will. Insofern ist er ein echter Friedensstifter.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.