DOMRADIO.DE: Eine nicht repräsentative Umfrage des SWR hat sich jüngst mit den Gründen für Kirchenaustritte beschäftigt. Demnach wollen die meisten, die aus der katholischen Kirche austreten, die Institution nicht mehr finanziell unterstützen oder sogar bestrafen. Denn wer austritt, muss auch keine Kirchensteuer zahlen. Passt dieses Ergebnis der Umfrage auch zu Ihren Motiven, die Sie zum Austritt gebracht haben?
Wolfgang Schmitz (Engagierter Katholik und langjähriger Hörfunkdirektor beim Westdeutschen Rundfunk): Die Bestrafung der Kirche war nicht mein Motiv. Natürlich wird man irgendwann nachdenklich, wenn man wie in den letzten Monaten sieht, dass für allerlei merkwürdiges Zeug Geld ausgegeben worden ist. Aber das ist nicht das Hauptmotiv gewesen. Das war vielmehr die große Unzufriedenheit, nein, die Verzweiflung über das, was sich da in den letzten Jahren entwickelt hat.
DOMRADIO.DE: Ist es denn für Sie nachvollziehbar, dass Menschen die Kirche nicht mehr finanziell unterstützen wollen?
Schmitz: Ich kann das verstehen, weil Kirchensteuer Geld ist, das an die Kirche überwiesen wird. Wenn ich gar keine Möglichkeit habe, irgendwie über Pfarrgemeinderäte, über die Basis Einfluss zu nehmen, wie dieses Geld ausgegeben wird und die Transparenz fehlt, dann kann einen das schon ärgern.
DOMRADIO.DE: Sie stammen aus einem katholischen Elternhaus, sind Anfang 2021 aus der Kirche ausgetreten. Welche Reaktion haben Sie seitdem aus Ihrem Umfeld erfahren?
Schmitz: Einerseits können es die Menschen in meinem Umfeld verstehen, dass ich mit dem unglücklich bin, was sich in der Kirche und insbesondere in unserem Erzbistum tut.
Aber es gibt doch auch ein anderes Gesicht. Es gibt die Gemeinde, es gibt auch ein lebendiges Miteinander. Das muss man abwägen. Wobei ich sage, dass sich das nicht ausschließt. Ich habe nach wie vor Kontakt zu Menschen, die in der Gemeinde arbeiten. Ich habe mein Geld übrigens auch nicht in Aktien investiert, sondern habe es gleich an Institutionen und Vereine weitergeleitet, die aus meiner Sicht sinnvolle Arbeit leisten.
DOMRADIO.DE: Wie würden Sie Ihr aktuelles Verhältnis zur Kirche beschreiben?
Schmitz: Es ist distanziert, aber ich beobachte natürlich das, was sich tut. Ich will gar nicht ausschließen, dass ich wieder beitrete. Das ist aber nicht eine Frage der Kirchensteuer, sondern eine Frage, wie lebendig Kirche ist und wie sehr sich Dinge ändern könnten, dass Frauen ihre Chance bekommen, dass tatsächlich Gemeinschaft herrscht und die Menschen, die in der Kirche sind und sich dort engagieren, auch ein Stück mitentscheiden können.
DOMRADIO.DE: Genau davon schreiben Sie auch in Ihrem Beitrag in der "SommerZeit" des Erzbistums Köln. Das heißt, unter bestimmten Bedingungen wäre für Sie auch ein Wiedereintritt vorstellbar?
Schmitz: Der ist für mich vorstellbar. Ich möchte nicht auf Dauer weggehen. Ich bin ganz froh, dass ich das getan habe. Das hat mir ein Stück innerer Befreiung gegeben. Zum Beispiel dadurch, dass ich jetzt Geld, das ich vorher der Kirche gegeben habe, einem Verein, den ich mitgegründet habe, zukommen lasse. Der heißt "Umsteuern" und ist in der Beratung und Unterstützung für kirchliche Missbrauchsopfer involviert. Das kann nicht ganz falsch sein.
DOMRADIO.DE: Was müsste sich denn für Sie konkret ändern, damit Sie wieder eintreten würden?
Schmitz: Auf dem ökumenischen Weg wird ja allerlei diskutiert. Für mich ist schon klar, dass Kardinal Woelki auf der einen Seite eine ganz schwierige Gestalt ist, die ja auch viele motiviert hat, wegzugehen.
Auf der anderen Seite geht es aber natürlich darum, wie das künftig mit geweihten Funktionsträgern aussehen wird. Können Frauen eine andere Rolle in der Kirche spielen? Kann sich also insgesamt eine Gemeinschaft entfalten und mehr von unten nach oben als von oben nach unten passieren?
Das Interview führte Julia Reck.