domradio.de: Waren die Anschläge in Tanta und Alexandria für Sie überraschend?
Monsignore Joachim Schroedel (katholischer Seelsorger in Ägypten): Leider muss ich sagen, sie waren nicht überraschend. Der sogenannte Islamische Staat, der sich im Nordsinai versteckt, hatte schon vor einigen Wochen angekündigt, dass er den Krieg gegen die Christen anfangen will. Es war klar, dass man vorsichtig sein musste, aber dass Selbstmordattentäter relativ leichtes Spiel haben würden, war auch klar.
domradio.de: Es sind ja schon viele Kopten aus dem Sinai vor dem IS geflohen. Wie reagieren jetzt die Christen auf die Anschläge?
Msgr. Schroedel: Natürlich ist ein Gefühl der Angst zunächst einmal vorherrschend. Aber diese Angst wird besiegt von dem immensen koptischen Glauben. Ich habe gestern und heute mit vielen Kopten gesprochen, und sie sagten, diese beiden Anschläge waren nicht so sehr ein Anschlag gegen die Christen, sondern gegen ganz Ägypten. Sie haben das Ziel, Christen und Muslime auseinander zu dividieren und die ägyptische Regierung zu destabilisieren. Die guten Beziehungen, die im Alltag bestehen, sollen zunichte gemacht werden.
domradio.de: Haben denn diese guten Beziehungen zwischen Christen und Muslimen in Ägypten bereits Schaden genommen?
Msgr. Schroedel: Hier in Kairo sehe ich das nicht so. In Mittelägypten ist das schon immer anders gewesen, denn dort ist das Spannungsverhältnis zwischen Christen und Muslimen größer als in der Metropole. Ich persönlich erlebe ein ganz gutes und gesegnetes Miteinander zwischen Christen und Muslimen. Diejenigen, die wissen, dass der Staat auf Solidarität angewiesen ist, die reichen allen die Hände, egal ob es sich um Muslime oder Christen handelt. Das ist eine sehr gute Situation, da hat sich einiges positiv entwickelt. In Ägypten herrscht im Zusammenleben Pragmatismus vor. Man weiß zwar, dass es Sprengstoff im Koran gibt. Aber diese Texte legt man zur Seite und sagt, es geht um ein gutes Zusammenleben, den Glauben an den einen Gott und Religionsfreiheit.
domradio.de: Aber trotzdem gibt es ja diese Anschläge gegen Christen …
Msgr. Schroede: Die Hälfte der Ägypter sind Analphabeten und leicht zu beeinflussen. Deshalb haben die Christen am meisten davor Angst, dass fanatisierte Muslime Übergriffe wagen. Die beiden Anschläge an Palmsonntag wurden nicht von normalen Ägyptern gestartet, sondern von total fanatisierten Muslimen.
domradio.de: Es wurde ein Ausnahmezustand über drei Monate in Ägypten verhängt und das Militär soll für Sicherheit sorgen. Wie sehr fühlen sich die Christen von der ägyptischen Regierung beschützt?
Msgr. Schroedel: Die Christen werden schon beschützt. Zum Beispiel bei dem Attentat auf die Markus-Kathedrale in Alexandria hätte der Attentäter durch eine Schleuse gemusst, aber er wurde abgewiesen und dann hat er sich vor der Schleuse in die Luft gesprengt. Das zeigt eine Videoaufzeichnung. Leider ist es in Ägypten so, dass kurz nach solchen Anschlägen die Sicherheitsmaßnahmen enorm erhöht werden, aber dann gibt es keine Nachhaltigkeit und in den nächsten vierzehn Tagen oder drei Wochen ist wieder buisiness as usual. Doch diese beiden Anschläge sind ein großes Signal und deshalb hat der ägyptische Ministerpräsident Al-Sissi den Notstand ausgerufen, um zu sagen, wir müssen die christliche Minderheit schützen.
domradio.de: Und wie steht es um die Osterfeierlichkeiten?
Msgr. Schroedel: Ich habe heute Morgen mit einigen Christen gesprochen, die ein inneres trotziges Dennoch entwickeln und sagen, wir lassen uns nicht auseinanderdividieren. Wir als Christen haben hier ein Recht seit 2000 Jahren und wir sind eine Kirche des Kreuzes. Sie haben nicht das erste Mal unter Bedrängung und Mordanschläge zu leiden und sind entschlossen, zu den Gottesdiensten zu gehen. Ich denke, wir werden erleben, dass die Kirchen voll sind. Aber leider auch, dass ganz viel Polizei und Soldaten rings herum stehen werden, um die Christen zu bewachen. Andererseits muss man auch sehen, wer ein Selbstmordattentäter mit einer Bombe am Leib ist, der kommt überall hin. Wie soll man da eine Gruppe von Menschen schützen.
Das Interview führte Christoph Paul Hartmann.