Drei Tüten mit Gummibärchen. Äußerlich sind die Verpackungen kaum zu unterscheiden, dennoch trennt ihr Inhalt nicht weniger als drei Religionen und Weltanschauungen: halal, koscher, vegan. Auf einer hölzernen Installation im Berliner Mitte Museum finden sich alltägliche Objekte, wie sie uns in einer multiethnischen Metropole wie Berlin allerorten begegnen - etwa in einer Tram.
Bis zum 10. Juli richtet die Ausstellung "Der Glaube fährt mit der Straßenbahn" anhand von exemplarischen Lebensmitteln, Kleidungsstücken und Kinderspielzeug den Fokus auf Regeln und Konventionen, die die monotheistischen Religionen Judentum, Islam und Christentum prägen - ebenso auch säkulare Überzeugungen wie etwa den Feminismus.
Stefan Maneval hat die Ausstellung, die sich an den Titel eines Films von Luis Bunuel "Die Illusion fährt Straßenbahn" anlehnt, im Rahmen eines Projektes mit der Arab-German Young Academy of Sciences and Humanities (AGYA) kuratiert.
"Heute leben wir in einer äußerst säkularen Gesellschaft und haben einen sehr religionskritischen Diskurs, der häufiger auch zu Diskriminierungen führt", erläutert der Islamwissenschaftler.
"Denn wenn jemand sich immer wieder für seinen Glauben rechtfertigen muss, ist das eine Form der Diskriminierung." Dies betreffe vor allem die Glaubensgruppe der Muslime, zumal die zunehmende Sichtbarkeit des Islam vielen Menschen hierzulande bedrohlich erscheine.
Selbstreflexion der säkularen Gesellschaft
Dem setzt Maneval eine Ausstellung entgegen, die er als eine Art Selbstreflexion versteht: "Anstatt Judentum, Christentum oder Islam zu erklären, richten wir den kritischen Blick auf die säkularen Gesellschaften und deren Islam- oder auf einen weiter gefassten Religionsdiskurs", erklärt der Kurator.
So findet sich in der wandelbaren, mobilen Ausstellungsinstallation manch Bekanntes, aber auch viel Verblüffendes. Die Ausstellungsinstallation hat der britische Künstler und Kunstlehrer Tim Greaves geschaffen. Sie ermöglicht aufgrund ihrer Durchlässigkeit verschiedene Blickwinkel auf die Exponate.
Eine bunte Kinderkippa mit Pokemon-Motiven etwa hängt neben einer dunklen Perücke, die dazu dient, die Haare einer orthodoxen Jüdin zu verbergen. Ein Basecap wiederum bedeckt das Haupt des gläubigen jüdischen Mannes, der antisemitische Übergriffe befürchtet. Mit einer goldig glänzenden Kippa hingegen fordert eine liberale Jüdin das Patriarchat heraus.
Ein Übergriff ebenso wie das von einer schwedischen Designerin entworfene Gewand einer katholischen Priesterin, das vis-a-vis der jüdischen Kopfbedeckungen arrangiert ist. Erst auf den zweiten Blick stellt sich Irritation ein. So stammt das vertraut scheinende Gewand von einer Frau, die von einem Bischof geweiht wurde - ein Bruch mit dem Kirchenrecht.
Ein Wissen, das verloren geht
"Um anhand äußerer Merkmale zwischen Angehörigen unterschiedlicher Religionen unterscheiden zu können, bedarf es eines bestimmten Wissens über diese Unterschiede, denn man sieht nur, was man weiß", betont Maneval.
Bereits einen protestantischen Pfarrer im Talar von einem katholischen Priester im Ornat oder einen Dominikaner von einem Franziskaner unterscheiden zu können, setze das Wissen über die Kleiderordnungen der jeweiligen Kirchen und Ordensgemeinschaften voraus. Ein Wissen, das seit Generationen immer mehr verloren geht.
Dem Kurator ist es wichtig zu betonen, dass das Nebeneinander von Gegenständen des alltäglichen Glaubens aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten nicht den Eindruck erwecken wolle, dass letztlich alle Religionen einen gemeinsamen Ursprung hätten, weshalb auch der Kern der Installation leer belassen worden sei.
"Ein derartiger Inklusivismus würde im Widerspruch zu den offensichtlichen Unterschieden zwischen den Regeln, Normen, Praktiken und Affekten stehen, von denen die ausgewählten Gegenstände zeugen".
Maneval wünscht sich daher ein Ausstellungspublikum, das so bunt ist wie der Kiez, in dem sich das Mitte Museum befindet - mit frischem Blick für das Andere sowie das Eigene.