DOMRADIO.DE: Was erleben Sie derzeit auf Ihrer Reise, was erzählen Ihnen die Menschen?
Erzbischof Ludwig Schick (Vorsitzender der Kommission Weltkirche bei der Deutschen Bischofskonferenz): Ich erlebe natürlich sehr Unterschiedliches. Ich erlebe Lager von Menschen, die von Boko Haram vertrieben wurden. Die Zustände sind schlimm. Ein Teil derer, die vertrieben wurden, konnten schon wieder zurückkehren.
Ich erlebe auch viele Menschen hier, die sich darum bemühen, dass es Frieden gibt und dass die Menschen wieder friedlich miteinander leben können und dass Boko Haram ausgeschaltet wird.
DOMRADIO.DE: Sie haben auch Treffen mit muslimischen Vertretern geplant, wie positionieren die sich denn angesichts dieser islamistischen Gewalt?
Schick: Natürlich auch mit Sorge, denn diese islamistische Gewalt trifft ja auch ihre eigenen Leute. Diese radikalen Gruppen kämpfen gegen alles, die vertreiben alles, die bringen alles um, was nicht mit ihnen zieht und das sind auch viele Muslime. Und deshalb ist Boko Haram auch für die Muslime eine Bedrohung.
DOMRADIO.DE: Nigeria zählt mit zu den Ländern in Afrika, in denen derzeit eine große Hungersnot herrscht - rund fünf Millionen Menschen sind allein in Nigeria betroffen. Wie hängt das zusammen mit dem islamistischen Terror?
Schick: Es ist ein vielfältiges Problem. Es hängt aber auch damit zusammen. Denn, wo Krieg herrscht, da kann der Ackerboden nicht bestellt werden, da werden Felder auch zerstört, da werden Menschen vertrieben und müssen Krieg führen, die eigentlich für den Anbau von Nahrungsmitteln benötigt werden. Das andere ist aber auch der Klimawandel, der sich auswirkt.
Außerdem ist das Bevölkerungswachstum sehr stark hier. Es gibt auch viel Korruption. Es ist ein vielfältiges Problem und es muss auch vielfältig angegangen werden. Eine einseitige Behandlung des Themas und das nur auf eine Ursache zurückführen, das wird nicht weiterführen.
DOMRADIO.DE: 36 Bundesstaaten hat Nigeria, in zwölf von diesen 36 gilt bereits das Gesetz der Scharia. Also das islamische Recht. Wie kann denn unter diesen Umständen noch christliches Glaubensleben stattfinden? Trauen sich die Menschen überhaupt noch in die Kirche?
Schick: Die Scharia ist in etlichen Bundesstaaten eingeführt, 12 von 36. Die Scharia ist ja zunächst einmal die Einführung eines Gesetzes. Aber, so sagen mir hier die Leute, hat es zum Teil keine Auswirkung, weil auch die Muslime nicht mitmachen, die Scharia durchzuführen. Natürlich ist das ein bedenkliches Zeichen, vor allem gegen die Christen.
Die Bundesstaaten sind jedoch sehr verschieden religiös aufgeteilt. Es gibt Bundesstaaten, wo mehrheitlich Christen sind, in anderen sind Christen in der Minderheit. Trotzdem: Die Einführung der Scharia bedeutet eine Bedrohung der Christen im gesamten Staat. Da muss auch alles getan werden, dass das nicht weitergeht, sondern rückgängig gemacht wird.
DOMRADIO.DE: Was waren denn angesichts dieser Schwierigkeiten die Anliegen, die die Ortskirchen an Sie und die deutschen Katholiken herangetragen haben?
Schick: Die sind zunächst einmal froh, dass wir uns für sie interessieren. Dann habe ich natürlich festgestellt, dass sie auch sehr lebendige Gemeinden sind und sehr viele Initiativen führ ihr Land durchführen. Der interreligiöse Dialog, der wichtig ist, wird durchgeführt von Christen und wurde von ihnen institutionalisiert.
Die verschiedenen Organisationen von Justitia et Pax versuchen die Lebensbedingungen auf dem Land zu verbessern, unterhalten Schulen und versuchen gerade die Frauen mehr in ihren Rechten zu stärken und sie in die Gesellschaft mehr einzugliedern. Also, die Kirche ist hier sehr lebendig. Ohne die Kirche würde Nigeria nicht vorankommen. Sie ist hier wirklich ein stabilisierendes und zukunftsträchtiges Element.
Deshalb wollen wir die Kirche hier unterstützen und die Kirche hier ist froh, dass wir gekommen sind. Ich möchte auch alles tun, jetzt in Deutschland, damit die Unterstützung weitergeht. Auf politischer Ebene muss sie weitergehen, auf sozialer Ebene, auch was Ökologie anbetrifft, muss sie weitergehen und was Religionen angeht, muss sie weitergehen.