Barthelemy Adoukonou, letzter Doktorand Josef Ratzingers

"Der Voodoo-Kult ist mehr als nur Magie"

Benedikt XVI. reist am Freitag ins westafrikanische Benin. Barthelemy Adoukonou (69), Sekretär des päpstlichen Kulturrates, wird den Papst in sein Heimatland begleiten. Der letzte Doktorand Joseph Ratzingers erklärt, warum Benin ein Modell für Afrika sein kann, der Voodoo-Kult mehr als nur Magie ist und er nach seinem Rigorosum von einem Blitzlichtgewitter empfangen wurde.

Benin: Viele Menschen sind Anhänger der Voodoo-Religion / © N.N. (KNA)
Benin: Viele Menschen sind Anhänger der Voodoo-Religion / © N.N. ( KNA )

KNA: Warum reist der Papst gerade nach Benin?

Adoukonou: Zuerst ist es ein Besuch am Grab seines langjährigen Freundes Kardinal Bernardin Gantin (1922-2008). Beide haben mehr als ein Vierteljahrhundert im Vatikan eng zusammengearbeitet. Ein weiterer Grund für die Reise sind die Feiern zur "Gründung" der katholischen Kirche in Benin vor 150 Jahren. Die Kirche hat in unserem Land maßgeblich zur Bildung einer modernen Nation beigetragen und in den 90er Jahren den friedlichen Übergang von einem leninistisch-marxistischen Regime zu einer Demokratie ermöglicht. Benin ist so auch ein Modell für Afrika. Wir befassen uns hier zudem schon seit längerem auch eingehend mit den afrikanischen Kulturen und Religionen und pflegen den Dialog mit Vertretern der einheimischen Voodoo-Religion.



KNA: Der Voodoo-Kult ist in Benin besonders verbreitet. Was verbirgt sich hinter diesem geheimnisumwitterten Phänomen?

Adoukonou: In Europa, und auch in Deutschland, wird Voodoo oft mit Magie und Hexerei gleichgesetzt. Dieses Bild ist jedoch falsch. Es handelt sich um eine ernstzunehmende Religion, in der Ahnenkult, Familienbande sowie die Kräfte und Erscheinungsformen der Natur eine große Rolle spielen. Die katholische Kirche muss einen Dialog mit ihren Anhängern führen. Gelingen kann dies nur, wenn wir uns eingehend mit der Voodoo-Religion auseinandersetzen und die afrikanische Kultur ernst nehmen. Die Missionare in Benin haben schon früh mit diesem Gespräch begonnen.



KNA: Gibt es eine klare Trennlinie zwischen Christen und Anhängern des Voodoo-Kultes?

Adoukonou: Der Präsident des Senegal Me Abdoulaye Wade hat einmal vor katholischen Bischöfen gesagt: "Wissen Sie, hier sind 3,5 Prozent der Bevölkerung Katholiken, 90 Prozent Muslime und 100 Prozent Anhänger von Naturreligionen". Auch in Benin gibt es nicht immer eine klare Trennung der Zugehörigkeiten. Etwa 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung sind Katholiken, rund 5 Prozent gehören protestantischen Kirchen an und 20 Prozent sind Muslime. Der übrige Teil, etwa 50 bis 60 Prozent, sind Anhänger der Voodoo-Religion. Die Katholiken bilden im Land also nur eine Minderheit; eine Minderheit, die jedoch auf allen Ebenen vertreten ist und den größten Einfluss besitzt.



KNA: Sie sind der letzte Doktorand Joseph Ratzingers in Regensburg vor seiner Ernennung zum Erzbischof von München. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?

Adoukonou: Drei Monate vor dem vorgesehenen Termin für die Verteidigung meiner Doktorarbeit fragte mich Ratzinger, ob wir die Prüfung nicht um einen Monat vorziehen könnten. Ich wies ihn darauf hin, dass ich nicht imstande sei, die Arbeit in so kurzer Zeit auf der Schreibmaschine selbst zu tippen, und dass mir das Geld für eine professionelle Schreibkraft fehle. Zudem müsste ich in diesem Fall eigens nach Frankreich fahren, weil die Arbeit ja auf Französisch verfasst sei. Daraufhin sagte Ratzinger: "Fahren sie nach Frankreich, ich bezahle das".



Die Verteidigung meiner Doktorarbeit legte Ratzinger schließlich auf den 25. März 1977. Als wir nach der Prüfung gegen 12.00 Uhr gemeinsam den Raum verließen, erwartete uns vor der Tür schon ein Pulk von Journalisten. "Sind Sie der letzte Schüler Ratzingers?"

wurde ich gefragt. Ich wusste zuerst nicht, wie mir geschah, und fragte Ratzinger: "Was passiert hier, Herr Professor?" Er sagte: "Ja, in diesem Augenblick bin ich zum Erzbischof von München ernannt worden".



Das Interview führte Thomas Jansen, kna