Sie sind Kulturdenkmäler von Weltrang, Touristenmagnete und städtische Wahrzeichen: die Kathedralen, Münster und Dome in Straßburg, Ulm, Köln oder Wien. Die weltberühmten Zeugnisse des Glaubens und der Baukunst für kommende Generationen zu erhalten, dieser Aufgabe haben sich die Dom- und Münsterbauhütten verschrieben.
Hier werden die dafür nötigen, oft Jahrhunderte alte Techniken von Steinmetzen und Baumeistern bewahrt und gepflegt. Hier ist das Expertenwissen versammelt, wie traditionelle Handwerkskunst mit modernsten Verfahren in Einklang zu bringen sind.
Nationale Anerkennung erreicht
Eine europäische Initiative will nun das Bauhüttenwesen zum immaterielles Weltkulturerbe adeln. "Wir wollen damit zeigen, dass die Bauhütten seit dem Mittelalter Großes geleistet haben. Und wir gleichzeitig die aktuellen konservatorisch anspruchsvollen Aufgaben nur lösen können, wenn wir die nötige Anerkennung und finanzielle Unterstützung bekommen", so die Freiburger Münsterbaumeisterin Yvonne Faller.
Auf nationaler Ebene ist die Anerkennung in Frankreich und Deutschland bereits erreicht. Österreich ist kurz vor dem Ziel. Und der entscheidende Schritt zur internationalen Anerkennung rückt näher: Bis Ende des Jahres wollen Bauhütten aus Frankreich, Deutschland, Österreich, der Schweiz und Norwegen die aufwendige gemeinsame Bewerbung abschließen.
"Bis März 2019 werden wir die Papiere inklusive Bewerbungsvideo bei der Unesco in Paris einreichen, damit das verantwortliche Gremium nach einer detaillierten Prüfung bei seiner Sitzung Ende 2020 entscheiden kann", so der Vorsitzende der Europäischen Vereinigung und Wiener Dombaumeister Wolfgang Zehetner.
Hoffen auf rasche Entscheidung
Alle Beteiligten hoffen auf eine rasche Entscheidung. Zuletzt gab es indes bei einzelnen Sitzungen so viele Anträge, dass der verantwortliche "Zwischenstaatliche Unesco-Ausschuss" unter Überlastung stöhnte. Die Liste drohe Opfer des eigenen Erfolgs zu werden, hieß es. Eine Sprecherin der Deutschen Sektion der Weltkulturorganisation gibt für das laufende Verfahren aber Entwarnung und zeigt sich zuversichtlich.
Dabei ist die Liste des immateriellen Weltkulturerbes im Vergleich zum bekannteren, materiellen Welterbe verhältnismäßig jung. Die Unesco fördert seit 2003 auch den Erhalt von Alltagskulturen und Traditionen, Wissen und Fertigkeiten. Inzwischen sind der entsprechenden UN-Konvention mehr als 170 Staaten beigetreten.
Deutschland ist seit 2013 dabei. Und so sind Stand heute weltweit 399 Kulturformen auf der renommierten Liste eingetragen: von der Basler Fasnacht bis zum vietnamesischen Xoan-Gesang.
Wachsender wirtschaftlicher Druck
Auf deutscher Ebene sind aktuell 72 Kulturformen und 7 sogenannter Gute Praxisbeispiele (darunter auch das Bauhüttenwesen) als immaterielles Kulturerbe anerkannt. Auf dieser Liste stehen beispielsweise die deutsche Brotkultur, die schwäbisch-alemannische Fasnet oder die Falknerei. Der Unesco geht es um eine "Bestandsaufnahme der kulturellen Schätze eines Landes".
Auch wenn mit der Auszeichnung keine direkten Preis- oder Fördergelder verbunden sind, erhofft sich Zehetner als Vorsitzender der Europäischen Vereinigung und Chef der Wiener Dombauhütte viel vom Unesco-Prädikat. Beispielsweise dokumentiere es gegenüber staatlichen Stellen und Geldgebern den kulturellen Wert von Handwerkskunst und Expertise rund um die Kathedralen. "Das Flair der großen Kirchen lebt von der Summe der Details. Es macht einen Unterschied, ob Steine und Figuren von Hand aus Stein gehauen sind - oder in Beton gegossen oder sogar per 3-D-Drucker ausgedruckt würden."
Wie Zehetner berichtet auch die Freiburger Münsterbaumeisterin von wachsendem wirtschaftlichem Druck: "Aber Billiganbieter werden Kulturdenkmäler niemals dauerhaft und bestmöglich erhalten können", so Faller.
Wie stark sich Bürger mit "ihren" Kathedralen identifizieren können, zeigt das Beispiel der gerade abgeschlossenen Münsterturmsanierung in Freiburg: Der Löwenanteil des Millionenetats stammte aus Spenden und Stiftungen. Erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt ist das 116 Meter hohe Wahrzeichen wieder ohne Baugerüst. Mehr als 80 Prozent der Sandsteine sind die Originale der Baumeister aus dem 13. Jahrhundert.