Der BDKJ-Bundesvorsitzende Thomas Andonie erwartet, dass dort auch über sexualisierte Gewalt in der Kirche diskutiert wird.
Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Andonie, in den USA, in Chile und hier in Deutschland sind zahlreiche Fakten über den sexuellen Missbrauch von Geistlichen an Minderjährigen bekannt geworden. Beeinflusst das die Themenwahl bei der anstehenden Jugendsynode?
Thomas Andonie (Bundesvorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ): Das Thema der sexualisierten Gewalt in der Kirche kommt seit 2010 immer wieder hoch und gerade ganz besonders. Da können wir bei der Jugendsynode nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Das klappt nicht. Wir müssen schauen, dass wir dem Thema entsprechend Raum geben. Das ist etwas, das von allen jungen Menschen schon bei der Vorsynode explizit gefordert wurde. Sie sagen: Liebe Kirche, wenn ihr euch mit uns auseinandersetzt, müssen wir auch über Fragen der sexualisierten Gewalt sprechen.
KNA: Welche Konsequenzen muss die Kirche aus den neuesten Erkenntnissen über das Ausmaß des Missbrauchs ziehen?
Andonie: Da geht es auch darum, zu schauen, wo Hierarchien sind, die Missbrauch begünstigen. Papst Franziskus bezeichnet das sehr treffend als Klerikalismus. Da geht es um Macht und Vertuschung innerhalb der Kirche. Es ist ein unvorstellbares Leid, das jungen Menschen widerfährt, und zwar ausgerechnet durch Menschen, die ihnen in einem seelsorgerischen Verhältnis sehr nahe stehen. Darüber müssen wir sprechen, welche Strukturen das begünstigen und welche Konsequenzen das für die regionale Umsetzung von Reformen in den einzelnen Bischofskonferenzen, in den Diözesen, in den Pfarreien und in den anderen kirchlichen Strukturen hat.
KNA: Der niederländische Jugendbischof hat seine Teilnahme an der Synode mit der Begründung abgesagt, dass es nicht "die richtige Zeit" dafür sei. Konservative US-Bischöfe forderten jüngst, die Synode in Anbetracht der Situation ganz zu streichen. Nachvollziehbar?
Andonie: Ich habe dafür überhaupt kein Verständnis. Denn gerade dieses Thema muss doch vor allem mit den Jugendlichen besprochen werden.
KNA: Welche anderen Themen stehen auf der Agenda?
Andonie: Weltweit beschäftigen sich junge Katholikinnen und Katholiken mit der Frage nach der Rolle der Frau in der Kirche. Warum dürfen Frauen nicht geweiht werden? Genauso fragen sich die jungen Menschen, warum der Zölibat, also die verpflichtende Ehelosigkeit bei Priestern, unbedingt sein muss. Im Allgemeinen fordern die Jugendlichen mehr Mitbestimmungsrecht. Sie wollen, bildlich gesprochen, nicht in einen Raum kommen, in dem schon alles fertig eingerichtet ist, wo Tisch, Bett und Sofa stehen und nichts umgestellt werden darf. Sie wollen den Raum, den Kirche ihnen bietet, mit einrichten.
KNA: Ist die Jugendsynode dazu ein erster Schritt?
Andonie: Ich denke schon. Papst Franziskus hat ja gesagt, er möchte durch die Umfrage vorab wissen, was junge Menschen bewegt. Und es gab die Vorsynode. Das ist ein ganz wichtiger Schritt gewesen. Aber natürlich muss nach dem ersten Schritt auch ein zweiter folgen und ich hoffe, dass wir jetzt bei der Jugendsynode sehen werden, dass die Meinung junger Menschen von den Bischöfen nicht nur zur Kenntnis genommen wird, nach dem Motto: Nett, was ihr sagt, aber wir machen es dann doch anders.
KNA: Welche konkreten Forderungen wurden während der Vorsynode laut?
Andonie: Wir wollen eine von jungen Menschen besetzte Kommission im Vatikan, die sich für ihre Anliegen einsetzt und beratend tätig ist. Wir müssen bei Entscheidungsprozessen gehört werden.
KNA: Könnte die Kirche dadurch für Jugendliche wieder attraktiver werden?
Andonie: Ja, denn es gibt viele, die durchaus gläubig sind, oder die auf der Suche nach Spiritualität sind. Viele sagen aber, in der Kirche, so wie sie jetzt ist, passt für mich zu vieles nicht. Wenn sie nun aber angehört werden und mitgestalten können, kann ich mir vorstellen, dass Kirche für junge Leute wieder attraktiver wird.
KNA: Eine Forderung ist auch die nach Glaubwürdigkeit...
Andonie: ...die sich in der jetzigen Situation zeigen wird. Die Kirche muss aufrichtig sein, Verantwortung übernehmen, die Schuldigen benennen und den Opfern eine Stimme geben. Sie muss auf die Opfer zugehen und wenn möglich, für Entschädigung sorgen. Und mit Blick auf die Schuldigen muss sie mit der Justiz zusammenarbeiten und dann dementsprechend Konsequenzen ziehen.