BDKJ fordert systemische Veränderungen in der Kirche

"Synodaler Weg kann nötige Änderungen nicht liefern"

Rund 100 Vertreter aus mehr als 30 Initiativen und Verbänden haben am Wochenende in Köln den Ruf nach einer Modernisierung der Kirche bekräftigt. Einer von ihnen ist Gregor Podschun. Er hat mehr als einen Wunsch an die Bischöfe.

Protest für Kirchenreformen bei der Versammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt / © Julia Steinbrecht (KNA)
Protest für Kirchenreformen bei der Versammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt / © Julia Steinbrecht ( KNA )

DOMRADIO.DE: Sie wollen den Niedergang der Kirche in Deutschland aufhalten. Woran liegt denn Ihrer Meinung nach dieser Niedergang?

 © Julia Steinbrecht (KNA)
© Julia Steinbrecht ( KNA )

Gregor Podschun (Bundesvorsitzender des BDKJ): Der Niedergang der Kirche liegt vor allem daran, dass wir das schwere Leid und die Gewalt in dieser katholischen Kirche sehen. Wir haben die Veröffentlichung der vielen Missbrauchsfälle, die es gibt, aber auch das Leid und die Gewalt, die homosexuelle Menschen, queere Menschen, geschiedene und wiederverheiratete Menschen erleben.

Viele Menschen sehen, dass es eine Kirche gibt, die nicht mehr mit ihrem Glauben kongruent geht, sondern wo sich die Amtskirche von ihrem eigenen Glauben entfernt und die keine menschengerechte Kirche mehr ist. Deshalb treten sie aus dieser Kirche aus.

Gregor Podschun

"Ich glaube, eine Kirche kann nur überleben, wenn sie eine menschenfreundliche Kirche ist, die Menschenrechte einhält."

Ich glaube, eine Kirche kann nur überleben, wenn sie eine menschenfreundliche Kirche ist, die Menschenrechte einhält. Deswegen sind wir gerade eine Kirche, die sich durch ihre eigenen Strukturen selbst zerstört.

DOMRADIO.DE: Kann man das sinkende Vertrauen denn hauptsächlich bei den Bischöfen festmachen, die im Moment in Fulda tagen?

Podschun: Die Bischöfe sind die verantwortlichen Leitungspersonen in der katholischen Kirche, die ja auch die absolute alleinige Macht haben. Das heißt, es geht auf jeden Fall darum, dass die Bischöfe diese Kirche lenken und auch in eine Richtung lenken, dass sie eine menschenfreundliche Kirche wird.

Zugleich muss man sehen, dass die Kirche eben nicht nur aus Bischöfen besteht, sondern aus ganz vielen Gläubigen, denen ja auch der sogenannte Co-Klerikalismus vorgeworfen wird, also die dieses System mit unterstützen und auch mit schützen. Auch da braucht es Bewegung, dass auch Gläubige erkennen, es muss eine andere Kirche geben, damit wir Menschen schützen können.

DOMRADIO.DE: In Fulda wird heute über den Synodalen Weg gesprochen, den gemeinsamen Reformweg mit den Laien. Was haben Sie denn für Wünsche an die Bischöfe?

Gregor Podschun

"Die letzte Synodalversammlung hat sehr deutlich gezeigt, dass der Synodale Weg es nicht leisten kann, die systemischen Veränderungen, die die katholische Kirche braucht, zu liefern."

Was wurde bei der vierten Synodalversammlung beschlossen?

Insgesamt berieten die gut 200 Delegierten der vierten Synodalversammlung über 8 Papiere, ursprünglich waren 14 vorgesehen. Vier Texte wurden in Zweiter Lesung verabschiedet; einer scheiterte an einer Sperrminorität von Bischöfen. Drei Texte standen in Erster Lesung zur Debatte und sind deswegen noch nicht beschlossen, auch wenn die jeweiligen Abstimmungsergebnisse Rückschlüsse auf die grundsätzliche Akzeptanz der jeweiligen Anliegen erlauben.

Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner (SW)
Abstimmungsgerät bei der vierten Synodalversammlung / © Max von Lachner ( SW )

Podschun: Die letzte Synodalversammlung hat sehr deutlich gezeigt, dass der Synodale Weg es nicht leisten kann, die systemischen Veränderungen, die die katholische Kirche braucht, zu liefern. Wir haben die MHG-Studie, die Missbrauchs-Studie, die uns ganz deutlich sagt, welche systemischen Veränderungen es braucht.

Die werden im Synodalen Weg aber nicht angegangen, sondern die Beschlüsse bleiben im Rahmen des Kirchenrechts. Wenn es Beschlüsse gibt, zum Beispiel zur Frauenordination, dann wird ein Vorbehalt vor dem Text vorformuliert und der Text der Sexuallehre wurde sogar abgelehnt. Das heißt, wir sehen diese systemischen Veränderungen nicht.

Zugleich gibt es kleine Reformen und auch Verbesserungen in der katholischen Kirche. Das möchte ich gar nicht schlechtreden. Aber ich glaube, die große Problematik ist, dass das, was es wirklich braucht, an die Strukturen, an die Systeme, ans Kirchenrecht ranzugehen, das findet leider nicht statt.

Dafür braucht es Mut von Bischöfen, die das einfach mal machen, auch ohne nach Rom zu gucken und auch ohne sich auf ihren Gehorsam zu beziehen, weil das Gut, dass Leid und Gewalt verhindert wird, wichtiger ist als ihr eigenes Gehorsamsversprechen. Das wäre ja seltsam, wenn die Kirche zulässt, dass Gehorsam wichtiger ist, als in dieser Kirche Leid zu verhindern.

DOMRADIO.DE: Was kann das eigentliche Ziel sein, wenn man von der Reform in der katholischen Kirche spricht? Wie sähe Ihre ideale Kirche aus?

Podschun: Das Ziel kann es nicht sein, sich nur auf Mitgliedszahlen zu beschränken. Dann würde sich die Kirche ja wieder um sich selbst drehen, dann würde es nur um die Kirche gehen. Das Ziel muss sein, eine menschengerechte Kirche zu schaffen, eine Kirche, die dem Evangelium auch wieder gerecht wird, die alle Menschen anerkennt, die alle Menschen zulässt.

Für mich wäre eine ideale Kirche sogar eine demokratische Kirche, eine Kirche, wo die Gläubigen mitbestimmen können, weil ich es für falsch halte, dass Gott irgendwie ein paar weißen Männern, die irgendwie Bischöfe sind – okay, die sind nicht alle weiß –, eine besondere Wahrheit einflüstert.

Gregor Podschun

"Alle Menschen tragen die Geisteskraft Gottes in sich und könnten auch die Kirche mitgestalten. Das muss endlich zugelassen werden."

Das ist ja nicht richtig, sondern alle Menschen tragen die Geisteskraft Gottes in sich und könnten auch die Kirche mitgestalten. Das muss endlich zugelassen werden. Vor allem muss es eine Kirche sein, die Leid und Gewalt verhindert und nicht weiter zulässt, auch in ihren Strukturen und Systemen nicht.

Das Interview führte Tobias Fricke.

Quelle:
DR