DOMRADIO.DE: Als größter katholischer Jugenddachverband, wie stehen Sie zur Wehrpflicht?
Gregor Podschun (Bundesvorsitzender des BDKJ): Wir finden die Aussetzung der Wehrpflicht nach wie vor für richtig. Wir haben das damals unterstützt und unterstützen auch heute die Aussetzung der Wehrpflicht.
Es ist korrekt, dass sicherheitspolitisch diskutiert wird, ob es wieder eingesetzt wird. Wir glauben aber, dass das weder sinnvoll noch gerecht gegenüber jungen Menschen ist.
DOMRADIO.DE: Es gibt aktuell das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ). Im Namen kommt schon das Wort "freiwillig" vor. Sie haben als Referent für Freiwilligendienste bei IN VIA im Erzbistum Berlin gearbeitet. Daher sind sie nah dran. Was erzählten und erzählen junge Menschen, die sich für ein FSJ entscheiden? Was gewinnen die fürs Leben?
Podschun: Aus persönlicher Erfahrung, aber auch von den Gesprächen als Zentralstelle für Fragen im Dienste weiß ich, dass junge Menschen, die sich freiwillig für einen Dienst entscheiden, davon für ihr Leben profitieren.
Zuallererst ist es ein Orientierungsjahr, in dem junge Menschen sich in Berufsfeldern orientieren können, im sozialen Bereich oder auch in der Pflege. Diese Berufsfelder sind enorm wichtig und die Jugendlichen können sich dort ausprobieren.
Zweitens ist es vor allen Dingen ein Bildungsjahr, in dem junge Menschen einen Lebensweg beschreiten, soziales Lernen betreiben können. Das ist wichtig für den weiteren Lebensweg. Die Freiwilligkeit unterstreicht den Wert für die Gesellschaft.
Wir glauben, dass ein Pflichtdienst der Idee von Solidarität in der Gesellschaft widerspricht, weil sie Freiheits- und Grundrechte junger Menschen einschränkt.
DOMRADIO.DE: Die CDU plädiert für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr. Was denken Sie dazu?
Podschun: Die tun das, um die Solidarität in der Gesellschaft und im Miteinander zu stärken. Das ist vollkommen richtig. Dafür sind wir auch. Wir glauben aber, dass wir durch einen Rechtsanspruch auf die Förderung eines Freiwilligendienstplatzes genau die gleiche positive Wirkung herbeiführen könnten, ohne dass es verpflichtend ist.
Wir glauben, dass, wenn ein freiwilliger Dienstplatz angemessen gefördert wäre, wir die Freiwilligenzahlen in Deutschland verdoppeln könnten. Das würde auf Freiwilligkeit beruhen und wir könnten so den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Solidarität fördern, ohne junge Menschen zu verpflichten, an einem unsolidarischen Pflichtdienst teilzunehmen.
DOMRADIO.DE: Sie selber haben von 2010 bis 2011 Zivildienst in der Jugendbildungsstätte vom Erzbistum Berlin gemacht. Das war kurz vor dem Wegfall der Wehrpflicht. Haben Sie sich damals ungerecht behandelt gefühlt, weil Sie noch in eine Regelung gefallen sind, die sie ein Jahr später nicht hätten machen müssen?
Podschun: Ich persönlich habe meinen Zivildienst gerne gemacht. Aber auf meine persönliche Perspektive kommt es nicht an, sondern auf die gesellschaftliche Perspektive.
Wir stellen uns die Frage, warum insbesondere junge Menschen in die Pflicht genommen werden müssen, den Zusammenhalt der Gesellschaft zu stärken und nicht auch Menschen anderer Altersgruppen. Das sollten sie natürlich auch tun, aber nicht ausschließlich.
Deswegen glauben wir, dass sie mit der Freiwilligkeit viel mehr erreichen können, weil sie eben genau diese Solidarität, die sich die Union wünscht, ausdrückt und nicht in einem Widerspruch zur Einschränkung von Freiheitsrechten junger Menschen steht.
DOMRADIO.DE: Bei einem Wehrdienst müssen unterschiedlichste gesellschaftliche Schichten für eine Weile miteinander auskommen. Ist es nicht schade, dass das weggefallen ist? Sprich: Wäre es gut, wenn das wiederkäme?
Podschun: Wir haben den gleichen Effekt in den Freiwilligendiensten. Zu dem Freiwilligendienst gehören die Bildungsseminare dazu, die mehrere Wochen im Jahr stattfinden. Dort kommen Menschen zusammen, die sonst nichts miteinander zu tun hätten, die mit unterschiedlichen Motivationen, Haushalten und Bildungswegen diesen Freiwilligendienst leisten.
Das Spannende ist, dass die Freiwilligendienstleistenden gerade in der Einsatzstelle, in der sie ihren Freiwilligendienst leisten, mit sehr unterschiedlichen Menschen in Berührung kommen. Das sind Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Kindertagesstätten und vieles mehr.
Es ist ein Mehrwert, wenn ich mich dazu entscheide einen Freiwilligendienst zu mache. Außerdem kann ich auch noch diesen positiven sozialen, gesellschaftlichen Aspekt mitnehmen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt.