Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, wendet sich nach dem guten Abschneiden der AfD bei der Bundestagswahl gegen Schuldzuweisungen an ostdeutsche Wähler. Manche Kommentare von Menschen aus dem Westen hätten ihn wirklich erschreckt, sagte der oberste Repräsentant der deutschen Protestanten am Montag in der Talkrunde "Die richtigen Fragen" auf "bild.de".
Ostdeutschland dürfe nicht allein als Problemgebiet dargestellt werden. "Man muss mit Respekt miteinander umgehen", sagte der bayerische Landesbischof einen Tag vor den Einheitsfeiern am 3. Oktober. Der Westen müsse wahrnehmen, wie ganze Lebenspläne in Ostdeutschland "über den Haufen geworfen" worden seien.
AfD in Ostdeutschland überdurchschnittlich stark
Die AfD hatte am 24. September bundesweit 12,6 Prozent der Zweitstimmen erhalten. In Sachsen wurde sie stärkste politische Kraft, mit 27 Prozent knapp vor der CDU. Auch in anderen ostdeutschen Ländern mit Ausnahme von Berlin schnitt die AfD überdurchschnittlich stark ab.
In der Auseinandersetzung mit den Rechtskonservativen und deren Anhängern forderte Bedford-Strohm "klare Kante" gegenüber Rassisten und Antisemiten. Nationalsozialistisches Gedankengut dürfe in Deutschland nicht wieder salonfähig werden. "Aber wenn Menschen beunruhigt sind, wenn Menschen Angst zum Ausdruck bringen, dann muss man ins Gespräch kommen", sagte Bedford-Strohm.
Stimmen aus der Politik
Auch die amtierende Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) warnte davor, den Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl als Problem des Ostens zu bewerten. "Natürlich ist das Ergebnis der Bundestagswahl schmerzlich. Aber ich halte es für verfehlt, daraus eine Debatte zu machen, ob der Osten und der Westen richtig zusammengewachsen sind", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin den Zeitungen der Essener Funke Mediengruppe am Montag. Für den Aufstieg der Rechtspopulisten gebe es keine eindimensionalen Erklärungen.
Die Ostbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke (SPD), sagte: "Wo der Staat nicht mehr präsent ist, werden die zwangsläufig entstehenden Lücken von Kräften besetzt, die nichts Gutes im Schilde führen." Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit seien nach wie vor eine ernste Bedrohung des sozialen Friedens und der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland.
Mehr Zivilcourage und Einsatz für die Demokratie
Der ehemalige Bürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt, Markus Nierth (parteilos), rief zu mehr Zivilcourage und Einsatz für die Demokratie auf. Gebraucht würden jetzt "Kämpfer, aufrechte Demokraten, glaubwürdige Leute, denen ihre Freiheit noch etwas wert ist", sagte Nierth der in Berlin erscheinenden "tageszeitung" am Montag. Nierth war von 2009 bis 2015 ehrenamtlicher Ortsbürgermeister von Tröglitz. Im Streit über die Unterbringung von Asylbewerbern wurde er massiv von Rechtsextremisten angefeindet. Aus Sorge um seine Familie legte er sein Amt nieder, setzte sich mit seiner Frau aber weiter für Flüchtlinge ein. Im April wurden beide für ihren Einsatz mit dem Luther-Preis "Das unerschrockene Wort" geehrt.