Im Kampf gegen Demenzerkrankungen wurden schon viele Hoffnungen enttäuscht. In der am Montag zum dritten Mal bundesweit veranstalteten "Woche der Demenz" werben Bundesregierung, Ärzte und Betroffenenverbände vor allem um Verständnis und die Unterstützung für Erkrankte und Angehörige.
Bisher enttäuschende Ergebnisse
Bisherige Medikamententests liefern vorrangig enttäuschende Ergebnisse, wie der Verband forschender Arzneimittelhersteller einräumt. Eine 2014 publizierte Untersuchung über die von 2002 bis 2012 in klinischen Studien erprobten Medikamente ergab eine Misserfolgsquote von 99,6 Prozent.
Für jene 35 Millionen Menschen auf dem Globus, die allmählich ihr Gedächtnis und ihre Persönlichkeit verlieren, wenig Grund für Optimismus. Auch für die rund 1,6 Millionen Menschen, die in Deutschland an einer Demenz erkrankt sind.
Rund drei Millionen Demenzkranke
Ohne entscheidende Fortschritte könnte die Zahl der Menschen mit Demenz hierzulande bis 2050 auf rund drei Millionen anwachsen, schätzt die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft. Die menschlichen, aber auch die finanziellen Belastungen sind erheblich. Kostenschätzungen für Deutschland gehen von 40 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr aus.
Frank Jessen, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie an der Uniklinik Köln, betont, dass es sehr unterschiedliche Formen von Demenz gebe - mit unterschiedlichen Behandlungsmöglichkeiten. So könnten auch Durchblutungsstörungen, Stoffwechselerkrankungen, Medikamente oder Vitaminmangel zu einer Schwächung der Gehirnfunktionen führen.
Medikament soll Verlauf verlangsamen
Die weit überwiegende Zahl der Demenzen - rund 80 Prozent - beruhen allerdings auf Krankheiten des Gehirns, bei denen mit der Zeit Nervenzellen verloren gehen, darunter zu 60 Prozent die Alzheimer-Erkrankung.
Jessen rechnet damit, dass in den kommenden Jahren ein Medikament entwickelt wird, das den Verlauf der Erkrankung verlangsamt. "Ein Medikament, das Alzheimer heilt, werden wir aber wohl alle nicht mehr erleben", warnt der Neurologe vor großen Hoffnungen.
Jessen und Michael Heneka vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) betonen, Medizin und Wissenschaft hätten in den vergangenen Jahren ein völlig verändertes Verständnis von Alzheimer erarbeitet.
Krankheitsbeginn bleibt unbemerkt
Bislang seien die Forscher davon ausgegangen, dass die Erkrankung beginnt, wenn sich erste Anzeichen von Gedächtnisstörungen zeigten, erläutert Heneka.
Das passiere meist zwei bis drei Jahre, bevor das Krankheitsbild richtig ausgeprägt sei. "Mittlerweile wissen wir, dass Demenzen fast 20 oder 30 Jahre früher beginnen - zu einem Zeitpunkt, an dem keiner etwas davon merkt."
Jessen spricht von einem revolutionären Umbruch mit Blick auf die Früherkennung: Künftig könnten bestimmte Biomarker bei der Suche nach Anzeichen für eine Erkrankung eingesetzt werden. Von Reihenuntersuchungen rät er allerdings noch ab.
Frühe Phase besser verstehen
Auch die Suche nach den Ursachen hat Neues ergeben: Jahrzehntelang hat sich die Forschung auf die vielbeschriebenen Eiweiß-Ablagerungen im Gehirn konzentriert, die die Nervenzellen schädigen.
"Mittlerweile gehen wir aber von einem pathologischen Dreigestirn aus", sagt Heneka: den Ablagerungen außerhalb der Zellen, Eiweißverklumpungen in den Zellen und Fehlfunktionen des Immunsystems. Diese Faktoren reagieren offenbar über Jahrzehnte miteinander.
Es sei jetzt wichtig, die frühe Phase der Erkrankung besser zu verstehen, so der Neurologe. Es müssten unterschiedliche Therapien für die verschiedenen Krankheitsphasen entwickelt werden.
Größtes Risiko ist das Alter
Experten sehen zudem mehrere Faktoren für das Ausbrechen von Demenz: Das größte Risiko ist das Alter. Nach dem 65. Lebensjahr verdoppeln sich Erkrankungen alle fünf Jahre. Nach dem 85. Lebensjahr beträgt das Risiko fast 50 Prozent.
Zwei bis fünf Prozent der Erkrankungen seien erblich verursacht, sagt Heneka.
Gesunder Lebenswandel wichtig
Aber auch der Lebensstil hat Bedeutung: Übergewicht, Bluthochdruck oder Entzündungen im Körper spielen eine Rolle. Ein gesünderer Lebenswandel hat daher in den vergangenen Jahren zu einem leichten Rückgang der Erkrankungsraten geführt.
Das ändert aber nichts daran, dass die Zahl der Demenzkranken insgesamt in den kommenden Jahren dramatisch wachsen wird - einfach, weil die Zahl der alten Menschen zunimmt.