Beginn des jüdischen Pessachfestes

Backen gegen die Stoppuhr

Gesäuertes ist zum jüdischen Pessachfest tabu. Die Bäcker müssen deshalb schnell und streng sein, denn nach nur 18 Minuten bringt Wasser Getreide zum Gären und der Teig ist unbrauchbar. Ein Blick in eine Matzenbäckerei.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Herstellung von Pessach-Matzen / © Corinna Kern (KNA)
Herstellung von Pessach-Matzen / © Corinna Kern ( KNA )

Pessach ist das Fest, mit dem Juden jedes Jahr im Frühjahr an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten erinnern. Pessach, sagt Rabbiner Zev Slavin von der chassidischen Chabad-Bewegung, "ruft uns zur Freiheit". Strengreligiöse Juden ruft das Fest vor allem zur Einhaltung zahlreicher Vorschriften auf.

Nur ungesäuertes Brot

Für die Dauer von acht Tagen, in diesem Jahr vom 11. bis zum 18. April, verbannt das religiöse "Reinheitsgebot" jede Form von Gesäuertem aus dem Haus und vom Speiseplan. Stattdessen landen Matzen auf dem Teller: ohne Triebmittel gebackene, knäckebrotähnliche Brotfladen. Unter den koscheren Pessachbroten gelten die sogenannten Schmura-Matzen als der Kaviar. Handgebacken aus besonderem Mehl sind sie ebenso gefragt wie teuer.

Die Hand schiebt sich durch einen Lamellenvorhang aus PVC. Zielsicher landet von rechts ein Messbecher Mehl in der Metallschüssel. Von links kommt ein zweiter Messbecher mit Wasser. Mit geübten Griffen kneten behandschuhte Hände den schweren Teig. Der Countdown läuft. In weniger als 18 Minuten muss die Masse in Form von gleichmäßig runden und dünnen Fladen die glühend heißen Ofensteine berühren. Sonst war alle Arbeit umsonst.

Geschäftige Unruhe kennzeichnet die Abläufe in einer der größten Matzenbäckereien Israels im chassidischen Dorf Kfar Chabad.

Fensterscheiben geben neugierigen Besuchern den Blick frei auf die Choreographie der Matzenbäcker. Raum Nummer eins beherbergt das Mehl, handgemahlen aus vom Moment der Ernte an speziell überwachtem Korn und in der Nacht vor dem Backvorgang erneut sorgfältig gesiebt. In einem weiteren Raum ruht das Wasser, das aus einer Quelle bei Lod stammt und über Nacht in speziellen Tanks abstehen musste, um eine niedrige Temperatur zu gewährleisten. Nichts in der Herstellungen der Schmura-Matzen wird dem Zufall überlassen.

Timing gefragt

Treffen Wasser und Mehl in der Metallschüssel in der zentralen Backstube aufeinander, läuft die Zeit. 18 Minuten nach dem Kontakt mit Feuchtigkeit setzt bei Getreide die Fermentierung ein, ein Prozess, den es für Pessach unter allen Umständen zu verhindern gilt: Der Teig wird "gesäuert" und damit unbrauchbar für das "Fest der ungesäuerten Brote". Nicht länger als zwölf Minuten benötigten die geübten Bäcker, bis der Fladen für etwa zehn Sekunden in den Ofen komme, sagt der aufsichtsführende Rabbiner Menachem Gluckowsky.

Männer mit Stoppuhren kontrollieren die Zeit. "Das handgemahlene Mehl spielt mit uns: Jeder Sack ist anders", sagt der Rabbiner. Manchmal müssen die Kneter die Teigmenge entsprechend anpassen. Dann landen unfertige Matzen nach 18 Minuten auch schon mal im Müll.

Schüssel um Schüssel, Handschuh um Handschuh werden am Lamellenvorhang zwischen Mehlraum und Backstube gewechselt. Jede Teigmenge erfordert frisches Arbeitsgerät, Krümel könnten sonst den frischen Teigansatz verunreinigen. Während im hinteren Teil der Backstube der Teig zu dünnen Fladen ausgerollt wird, säubern junge Männer in Plastikschürzen sorgfältig die metallenen Arbeitstische.

Alle 18 Minuten kommt die Produktion für einen Moment zum Stillstand. Die Teigausroller wechseln, nachdem sie sich und ihre Geräte unter strenger Aufsicht gründlich gewaschen haben, an die frischen Arbeitsplätze.

600 bis 700 Kilo Matzen pro Tag

Nach den hohen Feiertagen im Herbst beginnt die Matzen-Produktion in Kfar Chabad, mit dem Pessachfest schließt die Bäckerei bis zum Herbst. Rund 50 Mitarbeiter, sagt Rabbiner Gluckowsky, arbeiten hier, kurz vor dem Fest sind es deutlich mehr. 450 Kilo Mehl gehen durchschnittlich an einem Backtag durch ihre Hände, das macht 600 bis 700 Kilo Matzen pro Tag.

Schuljungen wuseln an diesem Tag durch die Bäckerei. "Erziehungsmaßnahme", sagt der Rabbiner mit einem Lächeln. "Heute kann man einfach in den Laden gehen und pessachkoschere Matzen kaufen. Damit die Tradition Teil ihres Lebens wird, müssen sie sie aber erstmal selbst erleben."

"Schmecke die Freiheit", steht auf dem Karton der - natürlich von Hand und nach sorgfältiger Kontrolle verpackten - Schmura-Matzen, die in alle Welt versandt werden und die sich gesetzestreue und traditionsbewusste Juden manchmal mehr kosten lassen als ein Filetstück. Die Bäcker von Kfar Chabad hingegen spüren im Schweiße ihres Angesichts und mit Blasen an den Händen, was dieser Geschmack der Freiheit kostet.

 

Quelle:
KNA