Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Frau Bentele, aus politischen Gründen sind Sie den Paralympics in Sotschi vor vier Jahren ferngeblieben. Sind Sie als Behindertenbeauftragte der Bundesregierung in Südkorea dabei?
Verena Bentele (Behindertenbeauftragte der Bundesregierung und Ex-Biathletin): Ja und ich freue mich sehr darauf. Ich werde auf jeden Fall ein paar Tage dabei sein, dort einige Wettkämpfe erleben und Sportlern begegnen, von denen ich aus meiner aktiven Zeit immer noch viele kenne. Zudem versuche ich auch, einige Politiker zu treffen, die in dem Land für Sport und für Menschen mit Behinderungen zuständig sind. Ich hoffe, dass das klappt.
KNA: Kennen Sie die Wettkampfstätten vor Ort?
Bentele: Nein, bislang noch nicht. Für mich ist alles neu und von daher ganz besonders spannend. Ich gehe aber davon aus, dass für die Sportler dort alles barrierefrei ist. Natürlich werde ich das genau inspizieren, vielleicht kann ich noch Verbesserungsvorschläge machen, die dann den Menschen in Südkorea auch nach den Spielen helfen.
KNA: Wie schätzen Sie die Medaillenchancen bei den Paralympics für die deutschen Sportler ein?
Bentele: Ich bin sehr optimistisch. Wir haben viele gute Sportler dabei, sowohl im alpinen Bereich als auch bei den Langläufern und Biathleten. Mit so viel Power können wir beim Medaillenspiegel sicher ganz vorne mitmischen.
KNA: Wie steht es um das Thema Doping?
Bentele: Bei den Paralympics war es in der Vergangenheit wahrscheinlich immer etwas sauberer, weil weniger Geld im Spiel ist. Es gibt aber leider auch im paralympischen Sport immer mehr Vorfälle. Da helfen nur strengere Kontrollen, damit eine Chancengleichheit gewährt ist. In Deutschland haben wir sie, jetzt ist es am IOC und dem IPC, diese weltweit als Standard einzuführen.
KNA: In Südkorea sind für die Sportler auch wieder Seelsorger dabei...
Bentele: Ich halte das für eine wichtige und schöne Sache. Ich habe bei den Paralympischen Spielen immer einen guten Kontakt sowohl zu den katholischen als auch evangelischen Geistlichen gehabt. Es war eine Bereicherung, weil man im wahrsten Sinne über Gott, Sport und die Welt sprechen konnte. Es ist ein guter Ansatz, aus der Kirche heraus auf die Menschen zuzugehen.
KNA: Die Spiele kosten eine Menge Geld. Was bleibt?
Bentele: Ich bin voller Hoffnung, dass sich durch die Paralympics für viele das Bild von Menschen mit Behinderungen ändert und sie erleben: Jeder Mensch hat große Talente und besondere Fähigkeiten, bei paralympischen Sportlern werden durch diese Begabungen Medaillen gewonnen. Ich wünsche mir natürlich auch, dass sich in dem veranstaltenden Land nachhaltig etwas ändert, dass etwa versucht wird, mehr für die Barrierefreiheit zu tun und Menschen mit Behinderungen auch am Arbeitsplatz besser zu integrieren.
Dass ein Land nach solchen Spielen anders mit ihnen umgeht, wurde mir aus China berichtet: Dort fanden die Paralympics vor zehn Jahren statt. Während zuvor Menschen mit Behinderungen häufig versteckt wurden, sieht man sie jetzt sehr viel mehr in der Öffentlichkeit.
KNA: Sportler, die bei den Olympischen Spielen stattfinden, werden stark gefördert und finanziell unterstützt. Wie sieht das bei dem deutschen Paralympic-Team aus?
Bentele: Die Rahmenbedingungen könnten noch besser sein. Es gibt zu wenige Sportler mit Behinderungen bei der Bundeswehr oder in der öffentlichen Verwaltung. Auch wenn Sportler parallel studieren, bräuchten sie mehr Unterstützung, und das gilt natürlich auch für die Begleitläufer von blinden Sportlern.
KNA: Was wünschen Sie sich an weiteren Verbesserungen?
Bentele: Es müsste im Sport für Menschen mit Behinderungen bessere Möglichkeiten im Breitensport geben. Es gibt einerseits Rehasport-Angebote, andererseits gibt es den Leistungssport. Was fehlt, sind genügend Angebote in inklusiven Sportvereinen, bei denen Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam trainieren.
Viele Menschen mit Behinderungen möchten in ihrer Freizeit einfach gerne Sport treiben und haben es da oft schwer, die passende Unterstützung oder auch Hilfsmittel zu bekommen. Ich würde auch mehr Unterstützung für Eltern mit behinderten, sportbegeisterten Kindern begrüßen. Für sie ist die Organisation deutlich schwerer, wenn ihr Nachwuchs beispielsweise Skilaufen möchte.
Für blinde Sportler müssten dafür etwa sehr viel mehr Begleitläufer ausgebildet werden. Ich war im Januar in Österreich, dort bietet der Behindertensportverband regelmäßig Skiwochen für interessierte Sportler an. Das wünsche ich mir auch in Deutschland.
Das Interview führte Birgit Wilke.