Beichtkrise verdeutlicht auch eine Glaubenskrise

Tagung vermittelt theologische Impulse

In Deutschland ist die Beichte für viele nur eine peinliche Kindheitserinnerung. Doch manche schwärmen bis heute vom Gefühl der Leichtigkeit "danach". Eine Tagung in Rom hat das hierzulande unbeliebte Sakrament neu beleuchtet.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Beichtstuhl / © Julia Steinbrecht (KNA)
Beichtstuhl / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Wenn man Erwachsene heute darauf anspricht, erzählen sie oft, dass sie sich damals, bei ihrer ersten - zugleich auch letzten - Beichte, irgendwelche Sünden ausgedacht haben, weil sie als Kinder eigentlich noch nichts wirklich Böses getan hatten. Und so verwundert es nicht, dass manche das Empfinden für das, was wirklich eine Sünde ist, gar nicht erst entwickelt haben. 

Und dann kam die Pubertät - eine Zeit, die vor allem auf sexuellem Gebiet viele Gelegenheiten zum Sündigen bot, jedenfalls, wenn man die Maßstäbe der bis heute gültigen kirchlichen Lehre anlegt. Spätestens an diesem Punkt ist bei den meisten die Verbindung zum Beichtsakrament abgerissen. Lustvolle Erfahrungen wie Selbstbefriedigung oder erste sexuelle Kontakte zu anderen Jugendlichen - das als Sünde zu betrachten, kam ab den 1970er Jahren immer weniger Jugendlichen in den Sinn. 

Allmähliches Verschwinden des Sündenbewusstseins

Dieser "Verlust" des Sündenbegriffs weitete sich auch auf andere Gebiete aus. Wenn es verbale Ausfälle oder eine Schlägerei gab, war die nachträgliche Versöhnung unter den Streithähnen das, was Eltern oder Lehrer einforderten - ans Beichten dachte niemand mehr. Ähnlich später in Beziehungs- und Ehekrisen: Der Gang zur (kirchlichen) Ehe- oder Partnerberatung wurde angeraten, die Beichte hingegen nicht.

Beichte / © Armin Weigel (dpa)
Beichte / © Armin Weigel ( dpa )

Das allmähliche Verschwinden des Sündenbewusstseins war eines der Themen bei einer Tagung zum Beichtsakrament, die der Vatikan jüngst in Rom veranstaltete. "Das Sakrament der Beichte heute feiern", lautete ins Deutsche übersetzt der Titel. Experten unterschiedlicher Fachrichtungen aus Italien, Spanien, Polen und Mexiko versuchten in Vorträgen und Debatten Ideen zu vermitteln, wie das in die Krise geratene Beichtsakrament wieder neu begriffen und "erlernt" werden könnte. 

Sie alle kamen aus Ländern, in denen die Beichte bei Kindern und Erwachsenen heute noch weitverbreitet ist. So kann man etwa in Polen oder Italien jeden Sonntag während der Messfeier miterleben, wie Menschen vor dem Beichtstuhl Schlange stehen und, wenn sie an der Reihe sind, in wenigen Minuten beim dort wartenden Priester ihr Schuldbekenntnis ablegen. Dennoch sprachen auch die Referenten aus diesen Ländern von einer "Krise" des Sakraments, weil die Zahl der Beichtenden allmählich nachlasse. 

"Anämie des Glaubens"

Kardinal Mauro Piacenza, Chef der Vatikanbehörde, die für das Beichtsakrament zuständig ist - er trägt den mittelalterlichen Titel des "Großpönitentiars" - machte in seinem Vortrag eine "Anämie des Glaubens" als Hauptursache für die Krise aus. Denn die Beichte sei vor allem ein Akt des Glaubens; nur wer an Gott und seine Barmherzigkeit glaubt, kann beichten. "Hinzu kommt der Glaube an die Kirche, die von Jesus als Vermittler des Heils auf Erden eingesetzt wurde - wem dieser Glaube fehlt, der wird auch nicht beichten."

Mauro Kardinal Piacenza / © N.N. (KiN)
Mauro Kardinal Piacenza / © N.N. ( KiN )

Ein weiteres Glaubensdefizit macht der Kardinal bei der Lehre vom Jenseits aus. Bei vielen Menschen sei der Gedanke an das Ewige Leben - und an die Möglichkeit der ewigen Verdammnis - völlig aus dem Blick geraten, auch weil dies lange Zeit wie ein Drohmittel eingesetzt worden sei. Piacenza warb dafür, es positiv zu wenden: Niemand könne sich selbst etwas Besseres schenken als die regelmäßige Beichte. Das Befreitwerden von Schuld durch die göttliche Gnade und die Vorbereitung auf das ewige Heil sei eine der schönsten und tiefsten Glückserfahrungen, die es gebe.

Auf eine spannende biblische Dimension der von Jesus eingesetzten Sündenvergebung wies der Theologe Fabio Rosini hin: Für das Volk Israel gebe es zwei Begriffe, die allein mit Gott in Verbindung gebracht werden dürfen: Schöpfung und Vergebung. Deshalb habe Jesus, als er zum ersten Mal zu einem Menschen sagte: "Deine Sünden sind dir vergeben", einen Aufruhr unter seinen hebräischen Zuhörern ausgelöst, die ihm Gotteslästerung vorwarfen.

Doch diese ungeheure Innovation Jesu sei heute weithin in Vergessenheit geraten. Mehr denn je konzentrierten sich die Menschen auf ihre - im Endeffekt dennoch vergängliche - körperliche Gesundheit und vergäßen das Heil ihrer Seelen. Um dies wieder mehr Menschen näher zu bringen, solle man aber nicht wie früher "Sündenkataloge" aufzählen, sondern von der Freude, von der Versöhnung und von dem Guten sprechen, das die Vergebung in der Beichte mit sich bringe.

Unterschied zwischen Beichte und anderen Gesprächen unter vier Augen

Der Salesianerpater Marco Panero betonte, dass es wichtig sei, so zu leben, dass der Wunsch nach einer Beichte überhaupt ins Bewusstsein durchdringen könne. Wer nicht täglich sein Gewissen erforsche und die Tage seines Lebens einfach vorbeirauschen lasse, für den sei es schwer, überhaupt zu bemerken, "dass es da eine Schuld gibt, die sich in mir festzusetzen beginnt und die ich loswerden möchte."

Beichtstuhl / © Julia Steinbrecht (KNA)
Beichtstuhl / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Er warb für einen positiven, empathischen Ansatz, vor allem bei Sünden, die mit einem Gefühl der Scham verbunden seien. Die Seelsorger sollten deutlich machen, dass das Benennen einer Schuld diese nicht größer mache, sondern sie eingrenze, so dass der Betroffene besser mit ihr umgehen könne. "Gutes Beichten lässt sich lernen, und die besten Beichten sind die, die man am intensivsten herbeigesehnt hat", so der Ordensmann.

Panero betonte den Unterschied zwischen der Beichte und anderen Gesprächen unter vier Augen. Auch diese könnten entlastend wirken.

Aber die feierliche Zusage der Vergebung durch Gott in der Absolutionsformel vermittele eine "Gewissheit, die es sonst nicht gibt: dass die Schuld wirklich und endgültig vergeben ist".

Das Sakrament der Beichte

Die Beichte gehört zu den sieben Sakramenten in der katholischen Kirche. Der Gläubige stellt sich in diesem Sakrament aufrichtig seinen Sünden, bekennt diese vor Gott und sie werden ihm schließlich vergeben, sofern er bereut. Darum wird das Bußsakrament auch als "Feier der Versöhnung" bezeichnet. Der Mensch übernimmt auf diese Weise die Verantwortung für sein eigenes Handeln und öffnet sich neu Gott sowie der Gemeinschaft der Kirche.

Beichte: Blick durch ein Holzgitter auf einen Priester mit violetter Stola in einem Beichtstuhl / © Harald Oppitz (KNA)
Beichte: Blick durch ein Holzgitter auf einen Priester mit violetter Stola in einem Beichtstuhl / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA