Russland beging den Nationalfeiertag am Samstag. "Einfach das Schicksal eines Dissidenten", so Kurajew. Er hatte seinen Wegzug Mitte Oktober angekündigt und damit begründet, dass das Schreiben und Sprechen in Russland immer schwieriger werde: "Meine Moskauer Welt ist zerstört."
"Putins Altarjunge"
Der Theologe verwies auf die Gleichschaltung "unter der Leitung des unauslöschlichen Regenten" Wladimir Putin. Auch den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. kritisierte er. Das Kirchenoberhaupt habe seinen "Dienst als moralischer Richter" aufgegeben, "um Putins Altarjunge zu werden", sagte Kurajew vor Kurzem in einem Interview.
Kyrill I. hatte den Geistlichen mit Ehrenrang eines Protodiakons im April wegen "zersetzender Tätigkeit" aus dem Klerikerstand entlassen. Kurajew hatte sich bereits 2014 öffentlich gegen die russische Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim gewandt. 2022 wurde er von einem Bezirksgericht wegen Diskreditierung der russischen Armee zu einer Geldstrafe verurteilt.
Einfluss entzogen
Der einflussreiche Theologieprofessor gehörte viele Jahre zu den Geistlichen, die am häufigsten von russischen Medien zitiert wurden. Mit Büchern und öffentlichen Auftritten warb er einst erfolgreich für den christlich-orhodoxen Glauben. Auf Bitten der Kirchenleitung schrieb er vor gut zehn Jahren auch ein Lehrbuch für den Religionsunterricht, das damals landesweit an russischen Schulen eingeführt wurde.
Als Kurajew 2013 sexuellen Missbrauch in einem Priesterseminar und Fehlverhalten von Bischöfen anprangerte, verlor er auf Geheiß von Patriarch Kyrill I. seine Professorenstelle an der Geistlichen Akademie in Moskau. Auch aus der Theologischen Kommission der Kirchenleitung wurde er damals ausgeschlossen. Seine neue Wahlheimat Tschechien ist ihm nicht fremd. Als Kind lebte er mit seinen Eltern mehrere Jahre in Prag.