Anders als sein Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone, der sogar immer mal wieder als Kommentator zum Mikrofon greift, gilt Benedikt XVI. nicht als Fußballverrückter. Sein Vorgänger Johannes Paul II. (1978-2005), in der Jugend eine echte Sportskanone und noch als junger Papst ein veritabler Skifahrer vor dem Herrn, war gar von Schalke 04 und vom FC Barcelona als Ehrenmitglied geführt. Der Theologen-Papst Joseph Ratzinger nähert sich dem Phänomen Fußball auf seine eigene Weise: Als langjähriger Präfekt der Römischen Glaubenskongregation wählte er einst einen eher intellektuellen Zugang zu der Problematik, wie das Runde ins Eckige gelangen kann.
In einer aus früheren Jahren stammenden Reflexion über die Fußball-WM spricht er von einem "Tun, das ganz frei ist, ohne Zweck und ohne Nötigung, und das dabei doch alle Kräfte des Menschen anspannt und ausfüllt". Im Heraustreten aus dem versklavenden Ernst des Alltags handele es sich um eine "versuchte Heimkehr ins Paradies", in den "freien Ernst dessen, was nicht sein muss und gerade darum schön ist". Der Fußball, so meint der heutige Papst, nötige den Menschen, zunächst sich selbst in Zucht zu nehmen, "so dass er durch Training die Verfügung über sich gewinnt, durch Verfügung Überlegenheit und durch Überlegenheit Freiheit". Diese sei im Mannschaftsspiel Fußball einzubinden in das disziplinierte Miteinander, vereint im gemeinsamen Ziel.
Es dürfte statthaft sein, dies in die Worte Sepp Herbergers zu übersetzen: "Elf Freunde müsst ihr sein." Die fußballerische Schule des Lebens geht für den Papst aber über das eigene Team hinaus. Das Spiel lehre ein "faires Gegeneinander, bei dem die gemeinsame Regel, der man sich unterstellt, in der Gegnerschaft das Verbindende und Einende bleibt".
Noch weniger Lust auf Rasen als auf Teppich
Und in dieser Frage bleibt Benedikt XVI. keineswegs theoretisch. Im März 2006 etwa sandte er vor dem Länderspiel Deutschland gegen Italien in Florenz einen Appell gegen Intoleranz und Diskriminierung, nachdem es zuvor in italienischen Stadien wiederholt zu Ausschreitungen und ausländerfeindlichen Parolen gekommen war. Nach Kirchenangaben war es das erste Mal in 2.000 Jahren Christentum, dass sich ein Papst in dieser Art zu einem Fußballspiel zu Wort meldete. Und er tat es noch einmal, als 2007 in Süditalien bei Krawallen binnen einer Woche 2 Menschen getötet und mehr als 70 verletzt wurden. Damals verurteilte er "jede Äußerung von Gewalt, die die Welt des Fußballs besudelt".
Den zurückhaltenden Benedikt XVI. selbst zieht es offenbar noch weniger auf den grünen Rasen als auf den roten Teppich. Dabei hätte er theoretisch einen hervorragenden Ausstatter an der Hand: Adriano Stefanelli, der dem Papst die traditionellen roten Slipper aus Kalbsleder fertigt, lieferte nach eigenen Angaben auch schon mal Fußballschuhe in den Apostolischen Palast. Adressat war allerdings Kardinalstaatssekretär Bertone. Fußballtrikots hat dagegen auch Benedikt XVI. während seiner fünfjährigen Amtszeit in so großer Zahl geschenkt bekommen, dass er eine eigene Mannschaft damit ausstatten könnte - wenn nicht die Hemden alle die Nummer 16 trügen.
Ob der Papst nun also bei der WM einer Mannschaft in Weiß - und sei es der deutschen - die Daumen hält, ist nicht bekannt. Wenn er aber in den kommenden Wochen seinen sommerlichen Arbeitstag hinter sich gebracht haben und in seine Wohnung zurückgekehrt sein wird, ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass er am Bildschirm auch schon mal eine versuchte Heimkehr ins Paradies verfolgt - in freiem Ernst und live.
Alexander Brüggemann (KNA)
Benedikt XVI. und der Fußballsport
"Versuchte Heimkehr ins Paradies"
In seinem fünfjährigen Pontifikat hat der Papst schon viel angestoßen. Wohin er auch kommt, steht der Mann in Weiß im Mittelpunkt. Doch als im Soccer City Stadium von Johannesburg das WM-Eröffnungsspiel angepfiffen wurde, hielt sich Benedikt XVI. abseits. Was macht der Papst während der WM?
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