Bereitet Papst Franziskus einen Rücktritt vor?

"Von diesem Papst sind wir Überraschungen gewöhnt"

Ein Konsistorium im Hochsommer. Das gibt es eigentlich nie. Zudem unterbricht Franziskus am Sonntag das Treffen, um zum Grab eines zurückgetretenen Vorgängers zu pilgern. Was ist von diesen ungewöhnlichen Zeichen zu halten?

 Konsistorium mit Papst Franziskus (Archiv) / © Paul Haring (KNA)
Konsistorium mit Papst Franziskus (Archiv) / © Paul Haring ( KNA )

DOMRADIO.DE: Franziskus ernennt eine Reihe neuer Kardinäle, allerdings nicht wie sonst im Herbst, sondern in der römischen Sommerpause. Zudem pilgert er zum Grab seines Vorgängers Coelestin V. Alles sehr ungewöhnliche Vorgänge. Wie ist das einzuordnen?

Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © privat
Ulrich Nersinger trifft Franziskus / © privat

Ulrich Nersinger (Vatikanexperte): Schwierig. Natürlich ist das ein unübliches Datum. Die Gerüchte, die wir hören, sind ziemlich ungewöhnlich für ein Konsistorium oder eine Kardinalskreierung. Das kann ganz normal ablaufen. Der Hauptgrund kann sein, dass der Papst möchte, dass die Kurienreform den Kardinälen präsentiert wird und ihre Zustimmung finden soll. So ist es ja offiziell angekündigt. Das kann aber auch mit Fragen eventueller Rücktritte in der Zukunft zu tun haben. Vielleicht auch im Blick auf Änderungen in der Konklave-Ordnung. Die Corona-Pandemie hat uns gelehrt, dass ein Konklave nicht immer problemlos in Person zusammentreten kann. Also da ist vieles noch nebulös. Wir werden sehen.

DOMRADIO.DE: Am Sonntag wird der Papst in L'Aquila das Grab von Papst Coelestin V. besuchen, dem letzten Pontifex, der vor Benedikt XVI. zurückgetreten ist. Auch das heizt natürlich Spekulationen an. Was war das für ein Papst?

Nersinger: Dieser Rücktritt war mit vielen Begleiterscheinungen versehen, die nicht sehr angenehm waren. Er dürfte vermutlich auch nicht für das Papsttum unbedingt geeignet gewesen sein. Es gab von Anfang an sehr große Widerstände gegen ihn. Man hat diesen Einsiedler eigentlich durch Tricks zum Rücktritt gezwungen. Es gibt dazu die berühmte Geschichte, dass man dort, wo er lebte, ein Loch in die Wand gebohrt habe und ihm nachts eingeflüstert habe, er solle zurücktreten. Da gibt es die abenteuerlichsten Berichte. So ganz freiwillig war dieser Rücktritt also nicht. Für die Kirchengeschichte war das ein signifikantes Ereignis.

Das war allerdings durchaus ein heiliger Mann. Und da sind natürlich dann Besuche von Päpsten an diesem Grab immer etwas, was zum Spekulieren aufruft. Denken wir daran, dass Benedikt XVI. seine große Stola auf das Grab gelegt hat, was natürlich dann auch direkt zu Spekulationen geführt hat. Der Besuch von Franziskus ist natürlich auch in dieser Richtung durchaus zu denken.

DOMRADIO.DE: Was halten Sie von den Spekulationen, dass Franziskus damit seinen eigenen Rücktritt vorbereiten könnte?

Nersinger: Das ist ziemlich um die Ecke gedacht. Da begibt man sich wiederum in den Bereich der Spekulanten. Das ist schwer zu erfassen, auch weil wir einen Papst haben, der selbst um die Ecke denkt. Von diesem Papst sind wir Überraschungen gewöhnt. Da müssen wir uns in dem Sinne wirklich überraschen lassen, was da geschieht.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.

Was ist ein Konsistorium?

Die Kardinäle sind die engsten Mitarbeiter und Berater des Papstes als Oberhaupt der Weltkirche. Diese Aufgabe üben sie vor allem in Konsistorien aus, von lateinisch "consistorium" für "Versammlung". Der Papst beruft diese Treffen zu besonderen Anlässen ein und leitet sie. Es gibt ordentliche und außerordentliche Konsistorien.

Birette, rote viereckige Hüte für neu ernannte Kardinäle / © Romano Sicilian (KNA)
Birette, rote viereckige Hüte für neu ernannte Kardinäle / © Romano Sicilian ( KNA )
Quelle:
DR