Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland ist 2019 im Vergleich zum Vorjahr fast unverändert geblieben. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mitteilte, wurden 100.893 Abtreibungen gemeldet. Das waren 93 oder 0,1 Prozent weniger als 2018. Auf 1.000 Geburten kamen demnach 126,4 Abtreibungen.
Zwischen 2014 und 2016 waren die Abtreibungszahlen erstmals seit der Wiedervereinigung unter der 100.000-Marke gerutscht. In den 90er Jahren wurden dann regelmäßig um die 130.000 Abtreibungen gemeldet; 2001 erreichten sie den bisherigen Höchststand von 134.964.
Trend zu ambulanten Abbrüchen
Schon seit längerer Zeit beobachten die Statistiker einen Trend zu ambulanten Abbrüchen: 79 Prozent der Eingriffe wurden 2019 in gynäkologischen Praxen durchgeführt, 18 Prozent ambulant im Krankenhaus. Mediziner haben zuletzt immer wieder beanstandet, dass es für Frauen immer schwieriger werde, eine Einrichtung für einen Schwangerschaftsabbruch zu finden; auch spiele das Thema in der medizinischen Ausbildung kaum eine Rolle.
Stabil gegenüber dem Vorjahr blieb 2019 auch die Abtreibungsquote, die den Anteil der Frauen im gebärfähigen Alter benennt, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen. Hatten im Jahr 2000 noch durchschnittlich 68 von 10.000 Frauen im gebärfähigen Alter zwischen 15 und 49 Jahren eine Abtreibung durchgeführt, waren es 2014 und 2015 noch 56. 2017 und 2018 meldeten die Statistiker eine Quote von 58.
Sie wird - unter dem Vorbehalt noch vorläufiger Bevölkerungszahlen - vermutlich auch 2019 registriert.
Die Abtreibungsquote offenbart auch große regionale Unterschiede: Mit 115 Abtreibungen auf 10.000 Frauen liegt Berlin deutlich an der Spitze. Es folgen Sachsen-Anhalt mit 87, Bremen mit 83 sowie Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern mit 81. Am Ende der Skala liegen Bayern mit 44 sowie Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit jeweils 43 Abtreibungen auf 10.000 Frauen.
Hilfsangebote für werdende Mütter bekannter machen
Der CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß forderte mit Blick auf die neue Jahresstatistik, die Hilfsangebote für werdende Mütter bekannter zu machen. Der Bundestagsabgeordnete verwies auf die Bundesstiftung Mutter und Kind, die werdenden Mütter unbürokratisch unter die Arme greife. Fehlendes Geld für die Einrichtung eines Kinderzimmers müsse nicht dazu führen, sich gegen das Kind zu entscheiden.
Der Bundesverband Lebensrecht kritisierte die Lage in der "Abtreibungshochburg" Berlin und forderte eine Überprüfung der Beratungsstellen. Offenbar gelinge es Einrichtungen dort nicht, zum "Leben mit dem Kind" zu beraten, erklärte die Vorsitzende Alexandra Linder. "Die Tatsache, dass einige staatliche Beratungseinrichtungen offen die Freigabe der Abtreibung propagieren und damit das Gesetz, nach dem sie beraten sollen, bekämpfen, unterstreicht diese Notwendigkeit." Linder verwies auch darauf, dass die Abtreibungszahlen bei Frauen ab 30 stiegen - "in einer Altersgruppe also, die in der Regel weder von einer Ausbildungssituation noch von extremer Armut, sozialer Notlage oder mangelnder Lebensbewältigungsfähigkeit betroffen sein dürfte".
Der evangelische Wohlfahrtsverband Diakonie erklärte, die Entscheidung über eine Abtreibung hänge stark davon ab, ob die Lebensplanung mit einem Kind gelingen und den Frauen die Angst vor der Zukunft genommen werden könne. Um so besorgniserregender sei es, dass es an Kitaplätzen und Betreuungsmöglichkeiten fehle und dass in Städten kaum noch bezahlbarer Wohnraum für Familien zu finden sei, sagte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie.
Die stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Cornelia Möhring, kritisierte dagegen, dass Frauen das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper nur eingeschränkt zugestanden werde. Deutschland missachte die internationale Frauenrechtskonvention CEDAW, weil sich Frauen vor einer Abtreibung beraten lassen und eine dreitägige Wartezeit einhalten müssten.
"Frauen können selbst einschätzen, ob sie für ihre Entscheidungen Rat brauchen oder nicht", sagte die Linken-Politikerin.