Nach der Todesfahrt unweit der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche hat der Berliner Erzbischof Heiner Koch für Freitag um 10.30 Uhr zu einer Schweigeminute an den Schulen aufgerufen.
"Wir werden uns in allen katholischen Schulen und im Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen in Solidarität, Trauer und Mit-Leiden mit der Klasse und der gesamten Schulgemeinschaft in Bad Arolsen im Gebet verbinden. Ich lade alle Berliner Schulen ein, sich dieser Schweigeminute anzuschließen", erklärte Koch am Donnerstag in Berlin.
Fahrer wird vernommen
Am Mittwoch war ein Auto in der Nähe des Ku'damms in eine Menschengruppe auf einem Gehweg gefahren. Dabei wurde eine Lehrerin aus dem nordhessischen Bad Arolsen getötet, die mit Schülern auf einer Klassenfahrt in Berlin war. Wie Innensenatorin Iris Spranger (SPD) im Abgeordnetenhaus angab, wurden 29 Menschen körperlich verletzt. Unter ihnen seien 14 Schülerinnen und Schüler, von denen sieben stationär behandelt würden.
Ein Lehrer der Klasse sei schwer verletzt, zudem gebe es weitere 14 teilweise lebensbedrohlich Verletzte. Auch der Fahrer - laut Polizei ein 29 Jahre alter Berliner mit armenischen Wurzeln - wird in einem Krankenhaus behandelt und weiter vernommen.
"Besonders erschreckt und erschüttert hat mich, dass eine Schulklasse Opfer der Amokfahrt wurde", so Koch. "Ich bin im Gebet bei den Eltern, die ihre Kinder auf eine Klassenfahrt nach Berlin geschickt hatten, vor allem bei denen, die noch um das Leben ihrer Kinder bangen, bei den Angehörigen der getöteten Lehrerin und natürlich bei der ganzen Klasse: Alle Schülerinnen und Schüler sind tief verletzt, einige von ihnen auch schwer körperlich."
Erzbischof Becker zeigt sich betroffen
Auch der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker äußerte sich bestürzt. "Die jungen Menschen, die von dem Fahrzeug erfasst wurden, stammen aus dem Erzbistum Paderborn", erklärte er am Mittwoch. "Meine Gedanken sind bei den Betroffenen und ihren Angehörigen, insbesondere bei der Familie des Todesopfers."
Auch wenn der genaue Hergang noch nicht abschließend geklärt sei, "bedeutet dieser Tod einen plötzlichen und sinnlos erscheinenden Verlust, der von Unbeteiligten nur schwer zu ermessen ist", so Becker. "Wo eben noch Lebensfreude und Zukunftspläne eines Menschen blühten, scheint dies alles nun abrupt vorbei zu sein." Christen hofften und glaubten, "dass der Tod nicht das Ende ist - so schwer dies in einer solchen Situation auch zu glauben ist". Alle von der Todesfahrt Betroffenen schließe er in sein Gebet ein.
Am Mittwochabend hatten in einem Gottesdienst Berlinerinnen und Berliner der Opfer gedacht. Daran wirkten die evangelische Generalsuperintendentin Ulrike Trautwein und der Generalvikar des Erzbistums Berlin, Pater Manfred Kollig, mit. Sie dankten Polizei und Feuerwehr sowie den Notfallseelsorgerinnen und -seelsorgern, die in der Gedächtniskirche den Tag über rund 100 Betroffene und weitere Hilfesuchende betreut hatten. Trautwein betonte, es sei wichtig, "dass Menschen nach dem ersten Schock nicht alleine gelassen bleiben und über ihre Erlebnisse sprechen können".
Scholz spricht von "Amoktat"
Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb auf Twitter von einer "Amoktat".
Die Regierende Bürgermeisterin von Berlin, Franziska Giffey (beide SPD), sagte am Donnerstag im rbb24 Inforadio, die Hinweise darauf hätten sich verdichtet: Seit dem Abend gebe es anhand der Ermittlungen "Klarheit darüber, dass es sich um eine Amoktat eines psychisch schwer beeinträchtigten Menschen handelt".
Weitere Zusammenhänge, unter welchen Einflüssen der 29-Jährige stand, würden untersucht. "Er ist ja sofort in Gewahrsam genommen worden; und es wird auch versucht, mithilfe eines Sprachmittlers noch mehr aus den teilweise auch wirren Äußerungen, die er tätigt, auch herauszufinden", so Giffey. Außerdem werde ermittelt, ob die im Auto gefundenen Plakate mit politischem Bezug zur Türkei in Zusammenhang mit der Tat stehen.
Der Vorfall ereignete sich an der Tauentzienstraße - und damit unweit des Anschlags vom 19. Dezember 2016 mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. Damals starben zwölf Menschen, mehr als 70 wurden verletzt. Später erlag auch ein 13. Opfer seinen Verletzungen.