DOMRADIO.DE: Gab es mittlerweile schon Hinweise aus der Bevölkerung?
Dr. Anne-Kathrin Finke (Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Heindersdorf): Es gab einige wenige Hinweise und Beobachtungen. Dadurch ist uns zumindest gelungen, die Tatzeit ein wenig einzugrenzen.
An zwei Tagen, Freitag und Samstag, haben keine Veranstaltungen auf dem Gelände stattgefunden. Deswegen war der Zeitraum relativ breit, in dem das passiert sein könnte. Jetzt wissen wir genauer, dass sich der Diebstahl am Donnerstagabend ereignet hat.
DOMRADIO.DE: Das ist jetzt eine ganze Woche her. Haben Sie noch Hoffnung, dass die Glocke heil in die Gemeinde zurückkommt?
Finke: Die Hoffnung für die Glocke, ganz abgesehen von meiner Glaubenshoffnung (lacht), ist relativ klein. Wir müssen davon ausgehen, dass sie längst woanders ist. Aber man weiß es nie. Insofern bitten wir trotzdem weiter um Hinweise. Vielleicht ergibt sich irgendwo noch eine Spur. Wir lassen nichts unversucht.
DOMRADIO.DE: Was war das denn genau für eine Glocke?
Finke: Es war eine sehr große Glocke, etwa 500 Kilo schwer. Sie stammte aus dem Jahr 1513. Sie war also sehr alt. Sie war etwa einen Meter hoch und hatte einen knappen Meter im Durchmesser. Man kann es sich vorstellen, es war ein sehr großes Stück aus Bronze.
Sie stand im Pfarrhof auf einem kleinen Sockel, weil sie am Ende des zweiten Weltkrieges zwei Einschusslöcher erhalten hatte und nicht mehr nutzbar war.
DOMRADIO.DE: Die Glocke hat nicht mehr geläutet. Warum war sie für die Gemeinde dennoch wichtig?
Finke: Es war die große Glocke aus dem ersten Glockengeläut, das die Kirchengemeinde überhaupt hatte. Dadurch hatte sie vor allem einen emotionalen und ideellen Wert. Sie stand seit etwa 50 Jahren auf dem Pfarrhof und gehörte für ganze Generationen in der Gemeinde dazu.
Es gab kaum eine Taufe, Trauung oder Konfirmation, wo es nicht dieses Fotomotiv mit der Glocke gegeben hätte.
DOMRADIO.DE: Wie wütend sind sie auf die Räuber?
Finke: Die Emotionen, die in einem durchgehen, sind schwer zu beschreiben. Es ist vor allem eine große Trauer und ein großes Unverständnis dafür da, wie jemand auf so eine Idee kommen kann, was jemanden bewogen haben kann, nur nach dem Materialwert zu gucken. Das ist eigentlich unvorstellbar. Wenn ich ganz ehrlich bin, ich finde es auch ein Stück weit pietätlos.
DOMRADIO.DE: Werden Sie diese Trauer in irgendeiner Form aufgreifen?
Finke: Auf jeden Fall. Wir werden am kommenden Sonntag im Gottesdienst sehr genau darauf eingehen. Wir werden uns im Hof versammeln, wo die Glocke stand und ein Gebet sprechen. Wir werden sicherlich auch überlegen, in welcher Form wir an die Glocke erinnern - sei es mit einer Fotoausstellung oder mit persönlichen Berichten von Menschen, die sich daran erinnern, wie sie an der Glocke standen. Das wird nicht unvergessen bleiben.
DOMRADIO.DE: Kann es da in Zukunft Ersatz geben?
Finke: Wir werden mit unserem Gemeindekirchenrat überlegen müssen, was an der Stelle angebracht wird, wo die Glocke stand. Wir werden keine neue Glocke dorthin stellen. Das kann ich mir nicht vorstellen, denn sie war ja nicht mehr läutbar und deswegen ist sie auch unersetzbar. Aber irgendwie werden wir auf jeden Fall daran erinnern, denn das ist schon ein ganz großer Verlust.
DOMRADIO.DE: Wenn jemandem auffallen sollte, dass irgendwo eine Glocke mit zwei Löchern steht, die vorher nicht da war, wo kann man sich dann melden?
Finke: Man kann sich beim Landeskriminalamt in Berlin bei den Kunstdelikten melden. Man kann sich auch auf der Webseite der Kirchengemeinde Heinersdorf die Telefonnummer raussuchen und sich bei mir melden.
Die Glocke hatte oben herum eine wunderbare Inschrift auf Lateinisch, übersetzt "O König Christi, komm mit deinem Frieden". Eine wunderbare und aktuelle Umschrift. Wir sind natürlich für alle Hinweise dankbar.
Das Interview führte Heike Sicconi.